Freitag, 8. Januar 2016

Chaosgefühle

Wo ist eigentlich Glücklich? fragt Fürsorge. Ich habe sie ewig nicht mehr gesehen.
Ich weiß es nicht, Fürsorge, sie hat sich länger nicht mehr blicken lassen. Aber das kann ich verstehen. Hier ist im Moment alles so trostlos und grau, ich würde mich auch gerne in Luft auflösen, flüstert Trauer. Ist ja auch kein Wunder, wenn du alle hier mit deiner Laune ansteckst! mischt sich Schuld ein. Mir ist mittlerweile eh alles egal, weil sich doch nie etwas ändert. Es ist doch jedes mal so! wirft Enttäuschung ein. Ihr macht es alle nicht besser! ruft Verzweiflung dazwischen. Da muss ich zustimmen! Eure endlosen Diskussionen bringen hier niemanden weiter, und Glücklich taucht dadurch auch nicht wieder auf! Packt euch erstmal selbst an die Nase, bevor ihr euch gegenseitig die Schuld zuschiebt! Vorwurf starrte in die Runde. Alles war still, als urplötzlich ein lauter Knall ertönte und Ärger angestampft kam. Ärger war ganz rot und sah aus, als wollte es alles auseinandernehmen. Angst, die sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, wich noch ein Stück zurück und begann, leise zu wimmern. Was ist hier schon wieder los?! schrie Ärger in die Gefühlsmasse hinein und Angst's wimmern wandelte sich zu einem schluchzen. Vorwurf starrte Ärger an und nickte in Angst's Richtung. War das jetzt wirklich notwendig? Als wenn hier nicht schon genug Chaos herrschen würde! In diesem Augenblick kam Entsetzen herangeeilt, direkt neben ihm Neugierde, die beide mit großen Augen auf das Getummel vor ihnen starrten. Was zum?! stotterte Entsetzten immer wieder vor sich hin, bis Neugierde ihn mit einem Ey, sei mal still, ich will wissen wie's weitergeht! ins Wort fiel. Entsetzen drehte sich zu Neugierde um und war noch entsetzter als zuvor. Fürsorge kniete währendessen neben Angst und versuchte, sie irgendwie zu beruhigen, doch das war nicht so einfach. Angst weinte und weinte und wollte sich gar nicht helfen lassen, was Verzweiflung bemerke und es im Endeffekt nur noch schlimmer machte. Neugierde hatte sich mittlerweile einen Stuhl geschnappt und schaufelte Popcorn in sich hinein, als sich Vorsicht, die sich zuvor im Schatten von Einsamkeit versteckt hatte, geduckt einen Weg durch das Getümmel bahnte, um nach Hoffnung zu suchen. Es wurde immer lauter. Gegenstände flogen durch die Luft, zwischendrin waren immer wieder Schreie der Verzweiflung zu hören. Trotz, der sich nach einiger Zeit ebenfalls eingemischt hatte, gab die Diskussion auf und verschwand schmollend. Sehnsucht beschloss, sich Vorsicht anzuschließen und begab sich ebensfalls auf die Suche nach Hoffnung. Sie ließen das riesige Gefühlschlamassel hinter sich, entfernten sich immer mehr davon, bis es schließlich ganz leise wurde. Nach einigen 100 Metern trafen sie auf Ruhe. Ihr seht so müde aus, sprach Ruhe die beiden Gefühle an. Wollt ihr euch ein wenig ausruhen? Bei mir herrscht Stille, bei mir könnt ihr ein wenig ausspannen. Vorsicht und Sehnsucht dankten, lehnten jedoch ab. Das ist lieb von dir, Ruhe, aber wir haben keine Zeit. Eile scheucht uns seit Stunden durch die Gegend und lässt uns Hoffnung suchen, doch wir finden sie nicht. Hast du sie gesehen?
Ruhe überlegte einige Minuten, um schließlich zu nicken. Hinter Vorsicht und Sehnsucht sprang Eile mit fuchtelnden Armen hervor. Ging das nicht ein wenig schneller? Wir haben nicht viel Zeit! Ruhe wies den drei Gefühlen die Richtung, worauf Eile die anderen zwei hinfort scheuchte und Ruhe erneut alleine zurückblieb. Und tatsächlich – nach einiger Zeit trafen Sehnsucht und Vorsicht auf Hoffnung, die ein weiteres Gefühl zusammengesunken in ihrem Schoß hielt. Fürsorge war auch dort und streichelte dem gekrümmten Etwas sanft über's Haar. Es war Liebe. Du musst sofort mit uns kommen, Hoffnung! ratterte Eile herunter und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Die anderen Gefühle, alle, sie alle, totales Chaos, so ein Schlamassel, alle, alle.. Ruhe war ihnen gefolgt und nahm nun Eile in den Arm, die sich langsam, aber zitternd etwas beruhigte. Hoffnung sah auf und lächelte stumm. Ich weiß, ich weiß, sprach sie, während sie Liebe weiterhin sanft in ihren Armen hielt. Liebe hat mir davon erzählt. Auch, wie lange sie schon streiten. Sie weiß gar nicht damit umzugehen. Alle Gefühle haben sich in letzter Zeit so sehr an sie geklammert, dass sie nicht mal mehr wusste, welches Gefühl sie selbst eigentlich ist. Sehnsucht und Vorsicht sahen sich an, dann Liebe, dann Hoffnung. Eile und Ruhe standen immer noch da, Arm im Arm. Weißt du vielleicht auch, wo Glücklich ist? Wir suchen sie schon seit einigen Tagen, aber sie ist wie vom Erdbeben verschluckt. Genau dann - urplötzlich - stand Glücklich vor ihnen. Lächelnd, wenn auch ein wenig gezwungen. Macht euch keine Sorgen, ich bin ok. Ich brauche nur ein wenig Zeit für mich, ich kann nicht immer jeden glücklich machen. Für den Augenblick zumindest nicht. Hoffnung blickte auf und atmete einmal laut ein und wieder aus. Ich werde Verstand beten, diesen Schlamassel für euch zu klären. Es scheint im Moment wohl für euch alle einfach zu viel zu sein. Aber – und das kann ich euch versprechen – Hoffnung lächelte und nahm alle in den Arm – es wird alles wieder besser. Ihr müsst nur versuchen, daran zu glauben.