Wie sie dort auf dem Boden liegen.
Gemeinsam.
Versunken in die Träume des ewigen Schlafes.
Ihr Kopf liegt auf seinem Oberkörper.
Wie friedlich sie aussehen, man sieht ihnen gar nicht an, dass sie eines so grausamen Todes gestorben sind. Würde man nicht auf das blutbesprenkelte Messer blicken müssen, dass aus seinem Herz herausragt, könnte man beinahe glauben, sie würden tatsächlich nur schlafen.
Ihr T – Shirt ist dunkelrot verfärbt, unter ihrem Oberkörper hat sich eine große Blutlache gebildet. Ihre beiden Unterarme liegen ausgestreckt auf dem Boden. In sie sind je zwei Worten geschrieben. Die vor Blut tropfende Klinge, mit der sie die vier Wörter in sich verewigt hat, liegt daneben.
Da schlafen sie, zusammen gestorben aus großer Liebe zueinander.
Wie es passiert ist? Diese Geschichte ist lang und traurig.
Die Geschichte zweier Menschen. Gestorben für ihre Liebe.
1. Selin.
Tick, Tack. Tick, Tack.
Eine weitere Minute war vergangen und er war immer noch nicht bei ihr.
Wo blieb er nur? Ob ihm etwas passiert war?
Sie kannte das nicht. Er kam immer zu ihr, jeden Tag.
Wieder verstrich einer Minute.
Ungeduldig saß sie auf ihrem Bett und baumelte mit den Beinen.
Tick, Tack. Tick, Tack.
Die Uhr trieb sie in den Wahnsinn, sie hielt es nicht mehr aus!
Schnell stürzte sie aus ihrem Zimmer, schlüpfte in ihre Stiefeletten und machte sich auf den Weg zu Jonathan.
Draußen war es stürmisch und kalt. Selin zog sich die Kapuze ihres schwarzen Sweaters über und rannte los. Der Regen war so stark, dass sie kaum etwas sehen konnte. Ihre Füße trugen sie blind durch die graue Gegend, in der Hoffnung etwas zu finden, woran sie sich orientieren könnte. Doch der Regen verschlang alles. Kaum wollte sie aufgeben, sich einfach hinsetzten und wegen ihrer Verzweiflung weinen, da bemerkte sie dass bekannte Rauschen der vorbeifahrenden Autos in der Innenstadt. Sie schaute auf. Ihre Augen sahen wegen der laufenden Tränen nur verschwommen, doch sie brauchte nicht zu sehen, um den Geräuschen zu folgen. Sie rappelte sich hoch und folgte dem Rauschen. Je lauter es wurde, desto mehr wuchs ihre Hoffnung wieder.
Als sich ihr Blick wieder aufklärte, sah sie, dass der Nebel langsam verschwand. Da erhaschte sie, 30 Meter vor sich, verschwommen und undeutlich, einen Blick auf die von Autos befahrene Hauptstraße, bevor eine weitere, undurchdringliche Nebelschwade vor ihr auftauchte. In Selins Herz schlug ein Hoffnungsfeuer auf, jetzt, wo sie wusste wo sie war. Sie rannte los, hin zu der Straße, schaute, ob Autos fuhren und lief weiter.
Doch der Nebel war noch immer nicht ganz verschwunden, und so kam es, dass sie ein Auto übersah.
Selin erkannte nur noch die großen, hell-beleuchteten Scheinwerfer, das laute, hektische Hupen des Fahrers, dann war es still.
2. Jonathan
Als der Anruf kam, schossen ihm Tränen in die Augen.
Er hörte in seinem Kopf noch die Worte des Mannes von der Unfallaufnahme. „Selin Joelle Schreiber liegt im Koma, Herr Theumer. Wir wissen noch nicht, ob sie mit ihrer Kopfverletzung überleben wird. Das betroffene Auto hat sie beim Aufprall genau am Hinterkopf getroffen. Wir schätzen, dass Sie sie gleich besuchen wollen, aber für das erste müssen wir dies ihnen vorbehalten. Die Ärzte wollen erst noch ihre Stabilität beobachten. Übermorgen dürfen sie kommen. Ihre Zimmernummer ist 145 auf der Intensivstation.
Eins noch, wir hoffen das schockt sie nicht zu sehr. Laut der Ärzte kann es bis zu zwei Jahre dauern, bis sie wieder aus dem Koma erwacht. Daneben kann es zum Amnesie Vorfall kommen, nach dem starken Knall am Hinterkopf hat sie eine sehr schwere Gehirnerschütterung erlitten.
Wir müssen jetzt auflegen, machen sie sich nicht zu große Sorgen um Selin, sie ist in Guten Händen und wird es schaffen solange sie an sie glauben.“
3. Selin
Der Monitor war sehr laut, sie hörte ihn.
Piep. Piep. Piep.
Ihr Körper lag verspannt auf dem Bett, leblos, einsam, kaputt. Sie bemerkte, wie jemand in ihr Zimmer kam. Schritte traten zu ihrem Bett, dann fasste jemand ihre Hand. Sie wusste sofort, wer es war. Sie genoss das Gefühl, wie er ihre Hand streichelte, wie er ihr beruhigende Worte zuflüsterte. Er wusste, dass Leute im Koma immer noch imstande sind, Geräusche aus ihrer Umgebung wahrzunehmen. Ihr war insgeheim klar, dass sie einfach nur aufwachen und Jonathan um den Hals fallen wollte, doch ihr Kopf ließ sie nicht denken. Sie bemerkte, wie er ihre Hand losließ, und beinahe hätten ihre Augen darauf am liebsten angefangen zu tränen. Doch sie spürte, wie er wieder näher kam, zu ihrem Gesicht, dann umfasste sie das Gefühl eines echten Kusses. Sie liebte dieses Prickeln, immer wenn er ihr so nahe war. Doch jetzt spürte es nur ihr Herz.
Nach einer viel zu kurzen Minute ließ er ihre Lippen wieder los. Sie hörte leise, aber deutlich und echt, wie er ihr ins Ohr Flüsterte: „Ich liebe dich, meine Süße. Ich lasse dich niemals los. Ich komme jeden Tag zu dir und werde mit dir reden. Ich verspreche es.“ Sie spürte, wie die Sehnsucht in ihr aufstieg, und kurz darauf flossen die Tränen über ihre Wangen, ohne dass sie es richtig spürte. Ihr Gesicht zeigte einen Ausdruckslosen Blick, doch die Tränen waren echt und das, was sie fühlte. Als leise Schritte sich langsam von ihr entfernten, und dann ganz verstummten, wusste ihr Herz, dass er gegangen war.
4. Jonathan.
Als er die Tür ihres Zimmers hinter sich schloss, konnte er kaum ertragen wieder von ihr weg zu sein. Doch die Zeichen der Krankenschwester deuteten stark darauf hin, dass er gehen sollte. So machte er sich langsam auf den Weg zum Haupteingang. Jeder Atemzug, jeder einzelne Schritt, jeder Millimeter, mit dem er sich von Selin entfernte, tat ihm so weh, dass er dachte, sein Herz würde zerspringen.
Er stieß die Tür nach außen auf und rang nach Luft. Bei den letzten 10 Schritten konnte er kaum mehr atmen. Er stahl sich zu einer kleinen, verlassenen Bank, setze sich, und versuchte sich zu beruhigen. Er blickte hoch zu einem der Fenster, wusste, dass sie dort oben lag. alleine, verlassen, einsam. Er wendete den Blick sofort wieder ab. Jonathan wusste nicht, ob er noch einmal zu ihr gehen konnte. Ob er noch einen Abschied ertragen konnte, ob er sie jeden Tag eine Stunde sehen könnte und es dann über das Herz bringen würde, sie wieder zu verlassen. Er spürte, wie sein Kopf ihm „Nein, das schaffst du nicht! Vergiss sie, sie ist es nicht wert!“ zuschrie, doch er wusste, dass er auf sein Herz und nicht auf seine Gedanken hören musste.
Seitdem er begriff, dass vor der Situation wegrennen kein Weg ist, besuchte er Selin jeden Tag.
Er erzählte ihr, wie es in der Schule war, was für Blödsinn sie heute gemacht hatten und lachte neben ihrem Bett so stark, dass er fast von seinem Stuhl gefallen wäre. Selins Gesicht hatte immer noch keinen Ausdruck, aber fast dachte Jonathan, dass er hin und wieder mal ein kleines Lächeln auf ihren Lippen gesehen hätte. Jeden Tag kam er zu ihr, erzählte ihr, sprach mit ihr, lachte mit ihr, küsste sie zum Abschied und verschwand nach draußen.
Doch es sollte alles anders kommen.
5. Selin
Sie spürte, dass es 10 vor drei war, jetzt kommt er jeden Moment durch die Tür. Jetzt, Gleich, Sofort. Sie wartete, eine Minute, zwei Minuten, 10 Minuten, er tauchte nicht auf. Wo blieb er? Ein altes Gefühl schlich durch Selins Magen. Dieses Mal spürte sie es auch deutlich. Sie wartete eindringlich auf das ersehnte Klicken, wenn die Tür langsam aufging, er hereinkam und ihr sofort einen Kuss auf die Lippen drücke. Doch die Tür wurde nicht langsam und behutsam aufgeschoben, keiner gab ihr einen Begrüßungskuss. Keiner besuchte sie heute. Jonathan besuchte sie nicht. Sie wusste es, wusste, dass er heute nicht mehr bei ihr auftauchen würde.
6. Jonathan
Er lief die Straße hinunter, beeilte sich, rannte durch den Regen hin zum Krankenhaus. Als er grade durch das Tor schreiten wollte, stieß er mit jemandem zusammen. Erbost rief er:“Verdammt! Kannst du nicht aufpassen? Ich hab´s eilig, ich muss zu -“ Aber weiter kam er nicht, als er in ihre Tiefblauen Augen sah. Die Blonden Haare schwebten durch die Luft, als sie eifrig begann, ihre Sachen wieder in die Tasche zu packen, die ihr beim Zusammenstoß runter gefallen war. Vor Jonathans Füßen landete ihr Handy, und bevor er es aufheben wollte, um es ihr zu geben, schnappte sie es und murmelte noch schnell „Sorry“. Sie strich ihre langen Haare nach hinten und eilte davon. „Halt, warte doch!“, rief Jonathan und lief ihr nach. Er packte sie an der Schulter und drehte sie zu sich um. „Du musst dich nicht entschuldigen, ich muss es! Ich hatte es so eilig und war sauer, tut mir leid, dass ich dich grade so angemacht hab'.“ Völlig außer Atem stützte er seine Hände auf die Knie und sah sie aus den Augenwinkeln an. Sie grinste und half ihm wieder hoch. „Schon okay“, sagte sie und lachte etwas schüchtern. Jonathan nickte dankbar. „Ich bin Dawn“, sagte sie mit entschuldigendem Lächeln und pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Jonathan“, antwortete er und lächelte zurück. „Wohin wolltest du denn? Ich hoffe, ich habe dich jetzt nicht davon abgehalten!“ Dawn blickte Jonathan an. Er zögerte kurz, fasste sich am Arm und hustete. „Ähm, nein, nein, schon okay, passt. Ich wollte eigentlich meine Freundin besuchen“, er wartete auf ihre Reaktion. Als sie nur nickte, fuhr er fort. „Sie hatte einen schlimmen Unfall, vor knapp zwei Wochen. Sie ist mit einem Auto zusammengestoßen, das sie genau am Hinterkopf getroffen hat. Sie liegt im Koma und leidet höchstwahrscheinlich an Amnesie.“ Er blickte schnell zum Boden. Dawn machte ein schockiertes Gesicht. „Oh mein Gott! Das tut mir leid, ich wusste ja nicht ..“ Sie ging auf ihn zu und legte ihren Arm auf seine Schulter. „Geh, komm, geh ruhig. Sie hat es verdient dich zu sehen! Geh zu ihr und rede mit ihr, sie hört dich bestimmt. Geh! Na los!“ Sie stieß ihn sanft in Richtung des Eingangs, machte ein aufmunterndes Gesicht. Er schaute sie an, direkt in die Augen. Für eine kurze Minute verharrten ihre Blicke. „O-okay.“ Er sah sie dankbar an. „Aber -“ Dawn drehte sich noch mal zu ihm um. „Ich .. würde dich gerne mal wieder sehen!“ Sie zog eine ihrer Perfekten Augenbrauen nach oben und grinste nervös. Jonathan überlegte gar nicht lange. „Klar, hier warte!“ Er kramte einen Kugelschreiber aus seiner Jackentasche und packte ihren Arm. „O15128 … so!“ Er ließ Dawns Arm los und zog seine Tasche wieder auf. „Warte, warte, warte!“ Sie kicherte und schnappte ihm den Stift aus der Hand, zog den Ärmel seiner Jacke hoch und schrieb auch ihre Nummer auf seinen Unterarm. „Uuuund fertig!“ Sie zog den Ärmel wieder nach unten und gab Jonathan den Stift zurück. „Danke.“ Er schaute sie unsicher an und steckte den Stift weg. „Kein Problem.“ Sie lachte. Er mochte ihr lachen.
„Aber jetzt geh. Ihr Herz wartet schon auf dich.“ Sie zog ihn zum Eingang des Krankenhauses und wandte sich dann zum gehen. „Dawn?“ rief Jonathan noch hinter ihr her. Sie drehte wieder um, winkte noch einmal schnell zum Abschied und verschwand dann schnell um die Ecke. Ihre langen, blonden Haare sahen schwerelos aus. Dann war sie verschwunden. Er lächelte in sich hinein, zog seinen Ärmel nach oben und tippte schnell ihre Nummer in sein Handy. Dann machte er sich auf den Weg ins Krankenhaus. Als er gerade auf die Treppe zur Intensivstation zusteuerte, packte ihn ein Arzt von hinten an der Schulter. Jonathan drehte sich erschrocken um. „Sind sie Stationär hier?“ fragte er mit Prüfendem Blick. „Nein.“ antwortete Jonathan und wandte sich wieder der Treppe zu. „Besuchszeiten sind ab Fünf Uhr nicht mehr gestattet!“ Was? Jonathan sah auf die Uhr an der gegenüberliegenden Wand. 17:23! Aber .. als er mit Dawn zusammengestoßen war,.. das war doch erst um drei! Er sah verwirrt auf die Uhr, dann zum Arzt der ihn mit strengem Blick musterte, wieder auf die Uhr. „A .. aber ich -“ „Nein, heute nicht mehr. Egal wen sie besuchen wollten, wir machen keine Ausnahmen. Und jetzt auf nach draußen, kommen sie morgen wieder, Besuchszeiten sind von 11 – 17 Uhr.“ „Aber, aber ich -“ „Ich habe mich wohl nicht klar genug ausgedrückt, ich will, dass sie sof-“ „Ja, ist ja gut, ich geh ja schon!“ Wütend drehte sich Jonathan um und stürmte aus dem Gebäude.
7. Selin
"Warten. Warten.
Kurz vor drei. Ob er heute wieder nicht kommt?
Doch, ganz bestimmt. Gestern hatte er wohl einfach keine Zeit.
Er muss kommen.Er MUSS!
Jetzt … jeden Moment.
Gleich geht die Tür auf, ich weiß es, er lässt mich doch niemals im Stich.
Gleich wird er kommen und sich dafür entschuldigen, dass er gestern nicht kommen konnte.
Bestimmt.“
8. Jonathan
Fünf vor drei. „Mist!“
Er rannte die Treppe runter und suchte nach seiner Jacke.
Gefunden, er wollte nun endlich los.
Doch als er gerade die Tür aufmachen wollte, hörte er, wie sein Handy piepte. Genervt stürzte er zurück in sein Zimmer und griff nach seinem Handy. „Wer will den jetzt wieder was von mir, Himmel!“ Jonathan klickte auf das Display, das zwei Sekunden später hell aufleuchtete.
Eine SMS. Von … seine Augen leuchteten Hell auf als er ihren Namen las. Dawn.
Er drückte auf öffnen.
>> Hey, du Zusammenstoß – Champ! <<
Jonathan musste grinsen.
>> Ich fand`s gestern ganz toll mit dir, war zwar nicht der beste Zeitpunkt, ich weiß, aber trotzdem! Ich hoffe, dass du jetzt vielleicht etwas mehr Zeit hast. Hast du Lust, dich mit mir treffen? Heute? So gegen halb vier? Ich würde mich tierisch freuen! Ich warte auf dich im Eis Café Mandale. Hoffe sehr, dass du kommst.
Dawn. <<
Jonathan las die Nachricht fünfmal. Auf seine Lippen stahl sich ein Lächeln, als er antwortete.
>> Heyho, danke für den süßen Spitznamen, ich musste grinsen.
Klar, gerne! Ich bin schon unterwegs!
Bis gleich, Jonathan. <<
Er ging los, viertel nach drei.
Seine Freude war riesig, dass sie ihn wiedersehen wollte.
Selin vergaß er.
9. Selin
"20 nach drei. Noch nicht da. Vielleicht ist er krank! Oder er hat mit der Schule zu tun, bestimmt!
Er hat mich nicht vergessen, nein, nein, nein, hat er nicht. Er würde mich nie damit verletzen. Das kann er nicht, so ist er nicht. Er kommt noch, er kommt noch, er kommt noch!
Bitte."
10. Jonathan
Er rannte durch die Stadt, über Straßen, Wiesen, an Läden vorbei, bis er an der Hauptstraße anhielt. Vor seinen Füßen, nicht mehr als 3 Meter entfernt, sah er noch die restlichen Blutspuren von Selins Unfall. Seine Füße waren wie angewurzelt, er konnte sich nicht bewegen, blickte die Stelle an, die leicht rötliche Stelle auf der Straße. Autos fuhren darüber, als wäre dort nichts gewesen. Er wollte wegsehen, konnte nicht. Seine Augen waren angekettet. Da klingelte sein Handy. Gedankenverloren ging er dran. „Ja?“ „Hey, wo bleibst du denn? Es ist schon vier Uhr! Ich warte doch auf dich!“ Jonathans Gehirn wachte wieder aus der Trance auf. „Dawn? Was? Schon? Oha, sorry, ich … ich hab … egal. Ich komme, bis gleich!“ Er legte auf und lief mit aller Kraft weiter, vorbei an der blutigen Stelle. Er sah sie nicht an.
Nach fünf Minuten bog er endlich um die Ecke, in der sich das Café befand. Eis Café Mandale. Dort war sie. Sie saß an einem der Tische und wartete auf ihn. Plötzlich wurde er nervös. Wollte sie ihn wirklich sehen? Oder machte sie nur Spaß? Ach Quatsch! Das bildete er sich bestimmt nur ein. Er atmete tief durch und trat durch den Eingang.
Dann sah er sie. Sie saß an einem Tisch vorm Fenster, wo man die Wiesen sehen konnte. Ihre Augen sahen verträumt hinaus zu den Koppeln, auf denen Pferde grasten. Sie bemerkte gar nicht, dass er gekommen war. Jonathan war sich nicht sicher, was er tun sollte. Sie sah so süß aus, wie sie durch das Fenster sah. Ihre langen Haare lagen offen auf ihrem Rücken. Sie trug ein petrolfarbenes Kleid mit mittellangen, weiten Ärmeln. Wie wunderschön sie aussah. Jonathan wollte nicht zu ihr gehen. Ihr verträumter Anblick raubte ihm den Atem. Dann sah sie ihn. Auf ihrem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. „Hallo!“ Sie stand auf und ging zu ihm rüber. Jonathan war immer noch ganz sprachlos von ihrem Auftritt. „Ist alles okay mit dir?“, fragte sie nervös. Da wurde ihm schlagartig klar, wie bescheuert er gucken musste. „Oh, ja klar! Alles in Ordnung!“ Er lächelte unsicher und folgte ihr zu dem Tisch, an dem sie eben gesessen hatte. „Du siehst toll aus!“ Er musste ihr einfach dieses Kompliment machen. „Oh!“ Dawn blicke verlegen zu Boden. „Danke.“ Sie lächelte ihn schief an. Er musste grinsen.
„Speisekarten!“ Ein Kellner kam heran und brachte 2 große Menükarten. „Mhmh, was nehme ich nur? Das sieht alles so toll aus!“ Dawn blätterte die Seiten um und fand jedes mal etwas neues. „Ich kann mich nicht entscheiden, hilf mir!“ Sie sah Jonathan mit großen Augen an.“
„Ich? Ähm …. Keine Ahnung, du könntest doch, ich meine, nimm doch … äh.“ Dawn kicherte erneut. „Ist schon okay! Ich sehe ja selbst, du kannst dich nicht entscheiden! Am besten wir überlassen das dem Kellner!“ Sie rief einen der Angestellten zu sich. „Wir können uns nicht entscheiden, was wir nehmen sollen.“, sagt sie mit unschuldigem Blick. Jonathan wär' am liebsten dahin geschmolzen. „Wir hätten gerne das beste Eis, das sie hier haben!“ Jonathan schaute Dawn an. Sie zwinkerte ihm zu. Nachdem der Kellner wieder gegangen war, sah sie nach draußen. Ihr Blick blieb auf einem der Pferde hängen, die auf der Weide grasten und galoppierten. „Siehst du den Fuchs dort unten? Mit dem Schwarzem Schweif und der Mähne? Das ist meiner.“ Jonathan schaute sie erschrocken an. „Du hast ein Pferd? Ich meine … du reitest?“ „Ja, jeden Tag!“ Sie blickte verträumt gen Himmel und lächelt. „Ich… ich würde mich niemals im Leben freiwillig auf ein Pferd setzten!“ Jonathan sah aus, als hätte er fünf Minuten lang die Luft angehalten. Dawn kicherte laut. „Du hast Angst vor Pferden, hm? Hatte ich anfangs auch. Sie waren für mich so groß und unerreichbar. Aber dann habe ich begonnen mit ihnen zu kommunizieren. Ich habe sie zu mir gerufen und sie gestreichelt. Ich war anfangs sehr nervös deshalb kam mein Dad immer mit. Wenn ich jetzt daran denke… ich kann es mir kaum mehr vorstellen!“ Sie grinste zu den Pferden herüber. „Aber… ich meine… sie sind so… aber.“ „Weißt du was? Wenn wir gegessen haben, gehen wir mal zu ihnen!“ „Zu den Pferden, ist das dein Ernst?“ „Aber klar! Du musst deine Angst überwinden, glaub mir! Reiten ist das schönste auf der Welt!“ „Aber-“ Der Kellner kam zurück und brachte jedem ein großes Glas. „Himbeer-Bananen–Joghurtbecher! Sehr beliebt!“ „Danke. Wie viel kostet das?“ „20 Euro hätte ich gerne.“ „Kein Problem!“ Dawn zog ihren Geldbeutel aus der Tasche. „Nein, nein, lass mal! Ich mach das schon!“ Jonathan hielt sie zurück und kramte sein Geld aus der Jackentasche. „So, dass müsste passen!“ „Vielen Dank.“ Der Kellner steuerte zurück zur Theke. Kaum drehte er sich wieder zu Dawn um, hatte sie sich auch schon auf ihren Joghurtbecher gestürzt. „Immer langsam! Du verschluckst dich ja noch!“ Er musste lachen.
„Ich liebe Eis! Es ist jedes Mal so! Und irgendwann verschlucke ich mich wohl wirklich noch!“ „Das ist aber nicht gut! Am Ende erstickst du noch!“ Er sah schmunzelnd zu ihr rüber. „Na, dann musst du mich eben retten!“ Sie schaute ihn verspielt an. „Wäre mir ein großes Vergnügen!“
Lange lachten sie noch und aßen, sprachen über dies, über das, lachten noch mehr und irgendwann liefen sie zusammen über die Wiese.
Als sie plötzlich an der Pferdekoppel ankamen, blieb Jonathan wie erstarrt stehen. Dawn zog ihn weiter. „Komm schon! Sie tun dir nichts!“ Sie hielten vor der Weide an. Dann stellte sie sich auf den Zaun und kletterte darüber. Sie begann eine Melodie zu pfeifen. Kurz darauf hörten sie ein freudiges Wiehern. Jonathan wich erschrocken zurück als von der Wiese ein großer Fuchs auf sie zugestürmt kam. „Max! Mein Toller, Schöner, Wundervoller!“ Dawn sprang vom Zaun herunter und rannte auf Max zu. „Max? Du nennst ein Pferd MAX?“ Sie hielt an und drehte sich zu Jonathan um. „Ja, mein Pferd, mein Name!“ Sie grinste und lief weiter. Max kam mit einer ungeheuren Geschwindigkeit auf sie zu und Jonathan kniff die Augen zu, aus Angst, Dawn könnte ihm nicht rechtzeitig ausweichen und er würde in sie hinein rennen. Aber er hörte keinen Aufschrei, also öffnete er seine Augen wieder. Bei dem Anblick blieb ihm der Mund offen stehen. Sie hatte Max feste an sich geschlungen, ihre Hände um seinem Hals und er stand ganz ruhig da, während sie ihren Kopf in seine Wuschelmähne drückte. „Aaaah, ich liebe dich du Süßer!“, rief sie dumpf vor sich hin. Dann hob sie ihren Kopf und sagte Jonathan, dass er rüber kommen solle. „Nein, Dawn. Nein, du bekommst mich nicht hier rüber!“ Er wich zurück. Sie machte ein trauriges Gesicht. „Dann eben nicht! Aber eins sag ich dir, du verpasst etwas!“ Lächelnd nahm sie Anlauf, rannte auf Max zu und sprang! Jonathan schloss die Augen. Er würde sie umrennen! Sie zertrampeln! Sie zerstören! Aber was hörte er? Ihr lachen, ihr unglaublich schönes, lebensfröhliches Lachen. Wie er dieses Lachen mochte. Er drehte sich zu ihr um. Dawn saß auf Max, nach vorne gebeugt, den Oberkörper auf seinen Schultern ruhend. „Himmel, komm runter! Er rennt gleich los und du fliegst!“ Dawn kicherte. „Ach quatsch! Ich weiß zwar nicht, woher du deine Wahnvorstellungen hast, aber sie stimmen nicht!“ Sie richtete sich auf. Max bewegte sich keinen Zentimeter. „Pass mal auf, jetzt wird`s lustig! Gib mir mal den Halsring da neben dir… Danke! Und keine Angst, mir passiert nichts!“ Sie zog den Halsring über Max' Kopf. Er schnaubte freudig. Dawn schnalzte und trat ihm vorsichtig in die Flanke. Darauf wieherte er und galoppierte los. „Dawn!“ schrie Jonathan, aber sie war schon außer Hörweite. Max raste durch die Wiese, Dawn saß unbeweglich auf ihm drauf. Sie grinste in die Weiten vor sich. Jonathan lehnte sich an den Zaun, er konnte kaum glauben was er da sah. Er hatte Angst und war gleichzeitig total erstaunt darüber, wie toll sie sich wohl da oben fühlte. Er hörte ihre Freudenschreie aus der Ferne… und musste lachen.
Sie musste sich so frei fühlen! Schwerelos, ohne Anziehung auf die Erde. Dann, mit einem Mal wurde ihm klar, dass er das auch wollte. Frei sein, schwerelos. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und kletterte vorsichtig über den Zaun. Die restlichen grasenden Pferde störte das nicht. Als Dawn sah, dass er bei ihr auf der Koppel war, lenkte sie Max mit dem Halsring zu ihm. Jonathan klammerte sich am Zaun fest, als sie auf ihrem Pferd zu ihm trabte. Sie sah ihm in die Augen und stieg ab. Den Halsring zog sie Max über den Kopf, damit er wieder grasen konnte. „Und?“ Sie lächelt ihn an. „Toll, oder? Ich liebe das Gefühl über die Wiesen zu schweben! Magst du es echt nicht versuchen?“ Sie gab Max einen lieblichen Klaps auf den Po, damit er wieder zurück zu den restlichen Pferden galoppierte. „Es macht echt Spaß! Und solange du dem Pferd nicht wehtust, tut es dir auch nicht weh!“ „Aber … wenn man auf ihnen sitzt .. ich meine … mir würde das wehtun!“ Sie lachte. „Ja, aber weil du ein Mensch bist und kein Pferd. Ihnen tut das nicht weh. Wenn sie Schmerzen haben oder wütend sind legen sie die Ohren an, Max macht das fast nie. Komm schon, versuch es! Ich bleibe auch bei dir!“ Er sah sie unentschlossen an. Die Pferde grasten immer noch. „O … okay. Ich mach´s.“ In Dawns Gesicht breitete sich ein riesiges Lächeln aus. „Super! Komm, ich hole Miri.“ „Miri?“ „Ja, sie gehört meinem großen Bruder. Sie ist ungeheuer lieb! Sie tut keiner Fliege etwas an, ich verspreche es dir!“ Dawn drehte sich zur Weide um und pfiff einmal laut und kräftig. Einen kurzen Moment lang geschah nichts. Doch dann regte sich eine schwarze Stute. Als sie bemerkte, dass Dawn da war, kam sie sofort auf uns zugerannt. „Hey, halt!“ Sie kichert. „Nicht so schnell! Ja, ich bin auch froh dich Wieder zu sehen!“ Sie streichelte Miris Kopf. Das schien ihr zu gefallen. Sie schloss die Augen und pustete sanft Luft aus ihren Nüstern. Dawn sah sie Liebevoll an. Dann hörte sie auf und drehte sich zu Jonathan um. „Jetzt du!“ Sie nickte zu Miri herüber. Er stand erst noch lange da, hatte Angst auf sie zuzugehen. Doch Dawns aufmunterndes Gesicht schien zu versichern, dass ihm nichts passieren könnte. Ganz langsam bewegte er sich vorwärts. „Du musst nicht schleichen, sie tut dir wirklich nichts!“ Jonathan verschnellerte seine Schritte etwas. Dann stand er direkt vor Miri´s Kopf. Sie sah ihn mit ruhigen, dunklen Augen an. „Schau ihr nicht direkt in die Augen. Streichel sie.“ Er tat, was sie ihm sagte. Vorsichtig bewegte er seinen linken Arm zu ihrem Hals. Er hatte Angst, das spürte nicht nur Dawn. Miri schnaubte verängstigt und wich ein paar Schritte zurück. „Dawn ich will nicht! Bitte lass uns gehen!“ „Du darfst ihr keine Angst zeigen. Sie merkt es. Wenn du jetzt gehst, kann es passieren dass sie dir nachgeht.“ Das wollte Jonathan keineswegs. Er ging wieder auf Miri zu. Diesmal entschlossener, es wirklich zu tun. Die schwarze Stute kam langsam näher. Jonathan streckte seine Hand aus, Miri betrachtete sie prüfend. Schon kurze Zeit danach schmiegte sie ihren Kopf an seine Schulter. Sein Körper verkrampfte sich, als er den starken Kiefer auf seiner Schulter spürte. „Streichle ihren Hals.“ flüsterte Dawn ihm zu. Er tat es. Genussvoll schnaubte Miri. Langsam wurde auch Jonathan lockerer. Er begann, über ihren Rücken zu streichen. „Das machst du gut! Jetzt zeige dich ihr. Sie will dich auch kennenlernen.“ Er stellte sich direkt vor Miri. Sie betrachtete ihn lange. Von Kopf bis Fuß. Als sie schließlich vortrat und ihm die Hand ableckte, wusste er, er mochte sie, und sie mochte ihn. Dawn sah dem Schauspiel begeistert zu. „Na, da scheinen sich ja zwei gefunden zu haben!“ Sie grinste beide. „Jaja!“ Jonathan lacht. „Willst du aufsteigen?“ Sie schaut ihn an, wartet auf seine Antwort. Nervös, aber entschlossen nickt er. Jetzt würde er das erste Mal in seinem auf einem Pferd sitzen. „ich sattle sie vorher besser, dass ist das leichter für dich. Ohne Sattel auf einem Pferd zu sitzen ist beim ersten mal ganz schön rutschig!“ Sie kichert und rennt schnell zu dem Stall, der gegenüber von der Weide lag. Er hatte ihn noch gar nicht gesehen. Während Dawn den Sattel holte, streichelte Jonathan weiterhin Miri. Sie ließ es sich gefallen und legte ihren Kopf auf seinen. Er lächelte. Da kam Dawn aus dem Stall zurück, auf den Armen lag ein Sattel. „Soll ich dir helfen? Er sieht schwer aus!“ fragte er sie. „Nein nein, geht schon, ich hab das schon so oft gemacht, meine Arme bauen Muskeln auf!“ Sie grinst ihn schelmisch an. Sie setzte den Sattel auf dem auf dem Zaun ab, stieg drüber und legte Miri ein Halfter um, dass sie unter dem Sattel zusammen mit dem Strick, dass sie jetzt am Halfter befestigte, gehalten hatte. „Magst du sie führen?“ „Ja.“ Sie übergab Jonathan den Strick. „Geh neben ihr her, so kann sie dir nicht auf den Fuß treten.“ Er nickt lächelnd. „Zieh nicht am Strick, dass tut ihr weh. Wenn sie gehen soll, mach ein paar Schritte vorwärts und schnalze.“ Er tat wie sie es sagte und tatsächlich, Miri ging brav und gehorsam neben ihm her. Mit einem Mal fühlte er sich so stark wie noch nie. Ein grinsen schlich über seine Lippen. Miri schnaubte erfreut. „So. Gib mir den Strick bitte wieder, ich muss sie mit dem Pferdeknoten anbinden, falls sie scheut und wegrennen muss“ Staunend sah er Dawn zu, wie sie schnell & geschickt Miri am Zaun festband. „So!“ Sie pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Heute werde ich sie mal nicht putzen, du reitest ja fürs erst mal sowieso nicht lange auf ihr.“ Sie lächelt ihm zu. „Jetzt nimm mal den Sattel. So, dass die kleinere Wölbung links ist.
Genau! Jetzt komm zu ihr und stell dich rechts neben sie.“ Dawn erklärte Jonathan geschickt, wie er alles richtig machen musste. „Gut. Jetzt rücke den Sattel so, dass der Strich auf ihrem Rücken und der Strich auf dem Sattel in einer Linie übereinstimmen. Warte, beim Gurten helfe ich dir.“ Dawn schlüpfte unter Miris Kopf hindurch zur anderen Seite ihres Körpers. „Achtung, ich lasse jetzt den Gurt fallen, greife unter ihren Bauch, wenn du ihn hast, zieh ihn zu dir hoch. Und halte den Sattel oben fest, sonst fällt er auf der anderen Seite wieder runter!“ Sie lachten beide. „Und tritt sie auch ganz bestimmt nicht aus, wenn ich ihr am Bauch entlangfahre?“ „Nein, mach dir da keine Sorgen, sie tut nichts.“ „Okay.“ Dawn ließ den Sattelgurt von der linken Seite fallen und schlüpfte wieder hinüber zu Jonathan. Er sah, wie der Gurt unter ihrem Bauch schaukelte. Wie von selbst griff seine Hand nach unten und fasste ihn. „Super! Halte den Sattel fest!“
Er merkte dass er etwas zu fest gezogen hatte und der Sattel nach links
rutschte. Doch zum Glück konnte Dawn ihn halten, bevor er runter
gefallen wäre. „Puh! Ganz schön knapp!“ Jonathan musste grinsen.
Zusammen mit Dawn befestigte er nun den Gurt auf der rechten Seite des
Sattels. „Fertig!“ „Ich hätte niemals gedacht, dass man beim Satteln so
viel beachten muss!“ ruft er außer Atem. Dawn grinste ihn an. „Trensen werden wir sie heute noch nicht. Ich führe dich erst mal mit dem Strick!“ „Dawn?“ „Ja?“ „Da bin ich verdammt froh darüber!“ Sie lachten und banden Miri von dem Zaun los. Jonathan führte sie auf die Weide. „Kann ich jetzt aufsteigen?“ „Noch nicht, erst musst du nachgurten.“ „Wieso dass denn? Wir haben den Gurt doch schon befestigt?!“ „Haha, ja, schon.“ Sie grinste, Jonathan blickte verwirrt auf den Sattel. "Aber wir haben den Sattel doch schon befestigt?!" Dawn kicherte los. "Wenn du jetzt aufsteigen würdest, würde der Sattel einfach geradewegs zur Seite rutschen! Pferde blasen sich beim Satteln immer wie ein Ballon auf, manchmal bekommt man kaum den Gurt fest!“ Wieder mussten sie lachen. Mit gemeinsamen Kräften zogen sie alle drei Gurte nach und letzten Endes waren beide froh, dass es endlich losgehen konnte. „Warte, eins noch!“ „Oh je, was den jetzt noch?“ fragte Jonathan und grinste „Ich muss deine Steigbügellänge noch einstellen! Gib mal deinen Arm her!“ „Was soll das werden wenn´s fertig ist?“ „Die Länge deines Armes entspricht der richtigen Länge des Steigbügels.“ „Ich versteh ehrlich gesagt nur Bahnhof.“ Dawn musste lachen. „Dachte ich mir schon! Aber egal. Jetzt kannst du aufsteigen!“ „Gut!“ Er grinste sie an. „Du musst auf der rechten Seite aufsteigen. Nimm den Steigbügel und stell die Spitze von deinem linken Fuß hinein. Gut so. Jetzt musst du dich am Sattel festhalten. Drück dich mit dem anderem Fuß vom Boden ab und schwing' dich dann nach oben, der rechte Fuß muss dann auf die andere Seite.“ Es klappte nicht auf dem ersten Schlag. Beim zweiten Mal nahm Jonathan zu viel Schwung und fiel auf der anderen Seite wieder herunter. Danach lagen beide auf dem Boden und lachten so viel wie nie zuvor. Dann, nach etlichen Versuchen, saß er endlich auf Miri. Dawn sah Jonathan an, dass er wohl sehr nervös war. „Hey!“ Sie schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. „Du musst dich nicht fürchten! Ich hab dich doch! Außerdem ist Miri so ein liebenswertes Pferd, sie würde niemals ohne Kommando losrennen.“ Das schien ihn tatsächlich zu beruhigen. Er lächelte Dawn zu. „Ich beginne jetzt, festhalten, okay?“ „Woran denn?“ fragte Jonathan wieder etwas verzweifelt. „Vorne am Sattel!“ Dawn grinste zu ihm hoch. „So, fertig?“ „Ja, Madame!“ „Witzbold!“ Er lachte. Dawn schnalzte und dann, ganz langsam und vorsichtig, als wüsste sie, dass jemand auf ihrem Rücken sitzt, der noch nie geritten ist, begann sie, sich zu bewegen.
11. Selin
12 Tage. 12 Tage ist es her, als er das letzte Mal auftauchte. Als er da war. Mich küsste. Mit mir redete. Jetzt kommt er nicht mehr. 12 Tage. Wenn ich wenigstens wüsste, wieso er nicht mehr kommt. Versteht er nicht, wie er mein Herz damit verletzt? Was ist aus Jonathan, dem süßen, zuverlässigen, netten Jungen geworden, der immer für mich da war? Ich weiß ich kann es dir nicht sagen. Aber ich weiß, dass ich in deinem Herz bin und dass du merkst, was in meinem vorgeht… oder?
12. Jonathan
Ihre Augen. Ihre Haare. Ihr Lächeln. Dawn.
Er bekam sie nicht mehr aus dem Kopf. Jede Sekunde dachte er an sie, an ihr Lachen, an die gemeinsamen Ausritte, die sie in den letzten Tagen so oft unternommen hatten.
Jeden Tag ohne Sattel durch die Wälder galoppiert, jeden Tag so ungeheuer viel gelacht.
Wie sehr er es liebte, mit ihr Zeit zu verbringen.
Piep, Piep. Piep, Piep.
Jonathan schnappte sich sein Handy. Eine SMS von ihr. Freudenflammen schlugen in seinem Herz auf.
>> Hey, Bester. Gestern habe ich dich gar nicht mehr gesehen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich dich vermisse! Wir müssen uns heute treffen! Okay? Sonst drehe ich wegen Jonathan–Entzug durch!
Um 3 Uhr bei der Weide?
Miss you, D. <<
Er brauchte nicht lange zu überlegen, schnappte sich seine Jacke und ging los.
Als er an der Wiese ankam, sah er sie schon vom weitem.
Ihre Gold–blonden Haare hatte sie zu einem lockeren Zopf gebunden. Sie saß auf dem Zaun und sah in den Himmel. Hinter ihr stand Max, den Kopf auf ihre Schulter gelegt.
Nachdem er sie gestern nicht sehen konnte, war seine Sehnsucht nach ihr so groß, dass er an Selin keinen Gedanken verschwendet hatte. Er hatte sie vergessen, losgelassen. Sie war ihm einfach nicht mehr wichtig, seitdem er Dawn kannte. Koma hin, Koma her.
Er rannte los, hinunter zu ihr. Als sie ihn sah, sprang sie vom Zaun hinunter und hüpfte ihm so plötzlich in die Arme, dass er mitsamt ihr umfiel. Lachend rappelten sie sich wieder auf. „Du?“ Dawn setzte sich wieder auf den Zaun. „Hm?“ Jonathan setzte sich neben sie. Beunruhigt fasste sie sich an den Arm. „Du… du bist mir in den letzten drei Wochen echt wichtig geworden.“ Sie sah verlegen auf den Boden. „Du mir doch auch!“ Jonathan grinste und legte seinen Arm um ihre Schulter, sie ihren Kopf an seine. Sie sah in seine dunkelgrünen Augen, er fuhr durch ihr langes Haar, öffnete den Zopf. „Offen sehen sie noch toller aus.“ Sie lächelten. Ihre Blicke verharrten für eine lange Zeit. Doch das wurde spontan unterbrochen, als Jonathan plötzlich von hinten vom Zaun gestoßen wurde. Dawn lachte laut auf, als sie den empörten Blick von Miri sah, die mit Ihrem Kopf den Platz von Jonathan eingenommen hatte. Es dauerte aber nicht lange, als auch sie vom Zaun geschubst wurde und neben Miri Max seinen neuen Platz einnahm. Max hatte Dawn so geschubst, dass sie genau neben Jonathan landete. Beide lachten lautstark, Max und Miri schnaubten mit schadenfrohem Unterton. Ihr gemeinsames Lachen verstummte. Dawn drehte sich über Jonathans Körper. Sie sah ihm in die Augen. Ein fest geketteter Blick. Sie begann sanft zu lächeln, beugte sich zu ihm hinunter und nur ein paar Sekunden später spürte er ihre Lippen auf seinen.
13. Selin
Schweigend packte sie ihre Sachen. In ihren Augen sammelten sich Tränen. Er war nicht gekommen. Sie ist aufgewacht und er ist nicht gekommen!
Sie strich sich durch ihre tiefschwarzen Haare und sah in den Spiegel. Sie war so blass. Ihre grün–blass-blauen Augen waren nicht mehr dieselben. Alles an ihr war verändert. Blasser, abgemagerter, lebloser.
Eine Krankenschwester kam in ihr Zimmer. „Entschuldigung, Selin. Wir konnten Jonathan nicht erreichen. Er ist nicht daheim und auf dem Handy ist er auch nicht erreichbar.“
Selins Magen krümmte sich. „Ist alles in Ordnung?“ fragte die Krankenschwester misstrauisch. „Ja.“ Sie ging zum Fenster und starrte nach draußen. Kurz darauf hörte sie, wie die Tür hinter ihr zuging.
Wo war er. Er konnte sie doch nicht vergessen haben. Vor 28 Tagen wurde sie hier eingeliefert. 11 Tage lang hatte er sie regelmäßig besucht. Doch danach … irgendetwas musste geschehen sein. Sie beschloss, es heraus zu finden. Egal unter welchen Umständen.
Ihr Vater kam in ihr Zimmer. „Bist du fertig?“ „Ja, aber ich muss etwas erledigen. Ich muss kurz weg.“ „Wohin denn?“ „Fürs erste nach draußen. Ich muss jemanden besuchen.“ „Selin. Du wurdest gerade aus dem Krankenhaus entlassen. Und jetzt willst du wieder weg?“ „Papa, ich werde aufpassen, ich verspreche es dir. Außerdem tobt heute auch kein Sturm.“ Selins Vater zögerte. „Na gut. Aber gib bitte wirklich Acht.“ „Klar!“ Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange und verschwand.
Es war ein komisches Gefühl für sie, wieder normal zu gehen. Sie wusste, dass sie 28 Tage lang keinen einzigen Schritt getan hatte. Es war fast so, als müsste sie es neu erlernen. Holprig, aber behutsam lief sie durch die Straßen. Sie fühlte sich so schwach, doch aufgeben wollte sie nicht. Sie musste wissen, was mit Jonathan war.
Zwar sagte die Krankenschwester, dass er nicht daheim sei, aber vielleicht ist er ja wieder zurück gekommen. Einen Versuch war es zumindest wert. Sie bog in die Vogelstraße ein und suchte nach seinem Haus. Alles kam ihr so unbekannt vor. Sie war einen Monat von der Welt abgeschieden gewesen. Irgendwie war für sie als wären ganze Jahre vergangen.
Doch dann sah sie es. Das kleine, alte Fachwerkhaus. Sein Zuhause. Sie bemerkte, dass in seinem Zimmer Licht brannte. Also war er daheim. Freude flammte in ihrem Herz auf. Sie eilte zu seiner Haustür und klingelte. Es schienen Stunden zu vergehen, als endlich die Tür geöffnet wurde. Jonathan. Er stand an der Tür. „S- Selin?“ „Na, wer denn sonst?“ Sie lachte. In Jonathans Herz erwachten alte Erinnerungen. Alte, tolle Erinnerungen, die ihm jetzt wehtaten. „Ist alles okay mit dir?“ Selin sah nervös in seine Augen. Er blickte auf den Boden, seine Haltung hatte etwas Komisches. „Selin .. es … es ist grade nicht der richtige Zeitpunkt.“ „Was soll das denn heißen? Ich bin wieder da. Ich bin aufgewacht. Und jetzt hast du keine Zeit für mich?“ Selin drehte sich enttäuscht und verletzt um. „Nein .. ja .. also. Selin, ich .. ich..“ „Was?“, brachte sie hinter zusammengepressten Lippen hervor. „Ich hatte gedacht, du würdest dich freuen mich wiederzusehen. Ich dachte… ich dachte ich könnte ich endlich wieder umarmen.“ „Ich freue mich doch auch, dich wieder zusehen, aber -“ „Aber?“ Sie sah ihm in die Augen. Jonathan bemerkte, wie blass und dürr sie aussah. Über ihre Wangen liefen Tränen. „Schatz?“ Selins Augen sahen an Jonathan vorbei. „Wer ist da? Komm wieder rein!“ Hinter ihm tauchte Dawn auf. Selin begann zu zittern. „Wer ist das?“ Dawns Augen sahen Jonathan fragend an. „Das… das“ Selins Atem ging nur noch stoß weise, dann… nach zwei endlos quälenden Sekunden, drehte sie sich blitzartig um und rannte davon.
14. Jonathan
„SELIN!“ Jonathan schrie nach ihrem Namen und wollte sie zurückhalten, doch sie schüttelte sich von ihm los und lief weiter. Dawn stellte sich vor ihn. „Das war Selin? Ich dachte, sie läge im Koma.“ „Sie ist aufgewacht. Gestern.“ „Ach ja?“ „Ja.“ „Na… toll. Aber komm jetzt wieder rein. Wir waren doch grade beschäftigt…“ Sie wollte ihn zurück ins Haus ziehen, aber Jonathan kam nicht mit. „Was ist los?“ „Ich kann nicht.“ „Du KANNST nicht? Was ich soll ich bitte darunter verstehen?“ „Ich muss zu ihr. Jetzt.“ „Zu..?“ Dawns Augen tränten. „Selin. Dawn du bist mir wichtig. Aber eben habe ich begriffen dass sie… dass sie -“ „Versteh schon.“ Dawn konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. „Tut mir leid, Dawn. Nimm es mir bitte nicht übel. .“ „Tu ich nicht. Es ist nur schmerzhaft.“ „Danke. Ich gehe jetzt.“ Jonathan gab ihr noch einen Abschiedskuss auf die Wange und ließ sie dann stehen.
15. Selin.
Selin rannte. Ihr war egal, wann sie über die Straße lief, wann Autos kamen und wann nicht. Sie wollte nur nach Hause. Tränen liefen ihr über die Wangen, sie sah verschwommen, zitterte. Sie eilte auf ihre Haustür zu und stürzte hinein, rannte nach oben in ihr Zimmer, warf ihre Tür zu und verschloss sie. Sie legte sich auf ihr Bett und weinte, wollte nicht mehr, konnte nicht mehr. Alles war kaputt. Während sie im Koma lag hatte er eine neue Freundin. Sie wollte nicht daran denken, was sie getan hatten, bevor sie gekommen war.
Damals wollte sie wissen, weshalb er nicht mehr kam. Jetzt wollte sie nur noch, nie aus dem Koma erwacht zu sein. Sie richtete sich auf… und fasste einen Entschluss. Den letzten Entschluss ihres Lebens. Sie schloss ihre Tür auf und schlich in die Küche. Ihre Eltern waren wohl noch im Krankenhaus. Sie ging auf eine der Schubladen zu, öffnete sie. Sie griff hinein und hob ein großes, scharf geschliffenes Messer hoch. Sie betrachtete lange und ausführlich das Werkzeug ihres Todes. Sie lief wieder nach oben und kramte in ihren Schränken nach der Rasierklinge, mit der sie sich früher immer verletzt hatte, um ihren seelischen Kummer loszuwerden. Sie fand sie in einer kleinen, schwarzen Schachtel. Jetzt brauchte Sie sie für ihre Letzte Nachricht. Eine Nachricht an Jonathan.
Bevor sie ihre letzte Tat umsetzte, zog sie sich ihr Lieblingskleid an. Ein Schwarzes, Knielanges Kleid, 3/4 Ärmel und mit schillernden Mustern verziert. Sie verließ ihr Zimmer zum letzten Mal, bog um die Ecke in ihr großes Bad. Das Messer legte sie auf einem Regal ab. Sie setzte sich auf einen kleinen Stuhl und nahm die Klinge in die Hand. Ihr Körper zitterte. Sie drehte ihren linken Unterarm zur Seite und begann. Der erste Schnitt brannte wie Feuer. Sie biss sich auf die Lippe um nicht los zuschreien. Ihr Atem ging schnell und stoß weise. Jeder einzelne Schnitt, jeder einzelne Tropfen Blut, kostete ihr mehr das Leben. Als sie das erste Wort fertig hatte, war schon die meiste Kraft aus ihrem Körper gewichen. Blut tropfte ein Muster auf den Boden. Sie ritzte weiter, auch wenn der Schmerz unerträglich war. Sie musste ihm mit dieser letzten Botschaft klarmachen, dass sie ihn nie vergessen wird... und dass sie ihn liebt. Zwei Wörter waren fertig, sie nahm die Klinge in die Hand des verletzten Arms und drehte nun den rechten zur Seite. Der Schmerz war nun doppelt so stark, weil die Wunden in ihrem linken Arm stark zusammengedrückt wurden. Selin biss sich so kräftig in die Lippe, dass auch sie begann zu bluten. Nun war das dritte Wort in ihr verewigt. Eins nur noch. Dann konnte sie alles von sich erlösen. Sie nahm ihren letzten Rest der Kraft zusammen und schnitt weiter. Unter ihren Armen hatte sich eine große Blutfläche gebildet. Sie sah nicht hin. Der letzte Schnitt raubte ihr den Atem. Sie war fertig. Sie hatte es geschafft. In ihren beiden Armen standen vier Wörter, geschrieben aus Angst und endloser Qual. Nur noch der letzte Teil ihres Lebens fehlte noch. Der Tod.
Sie zog sich mit dem letzten Funken Kraft zu dem Regal und packte das Messer. Sie nahm es verkehrt herum in die Hand, die Spitze zeigte auf ihr Herz. Einen letzten Atemzug, ein letztes Mal blinzeln, dann stach sie zu.
16. Jonathan
Er kämpfte mit den Tränen. Erst jetzt war ihm klar geworden, was für einen riesigen Fehler er gemacht hatte. Er rannte durch die Straßen, suchte sie überall, fand sie nirgends. Er beschloss in seiner Verzweiflung zu ihr nach Hause zu gehen und um zu schauen, ob sie dort war. Bestimmt lag sie einfach auf ihrem Bett und ruhte sich aus, um alles zu verkraften. Neue Hoffnung überkam ihm, er lief los, zu ihrem Haus, so schnell er konnte.
Die Tür stand offen. Er spürte Unruhe in seinen Magen. Langsam schritt er in das Haus. In der Küche brannte Licht. Angsterfüllt schlich er durch die Tür. Keiner da. Jonathan bekam jetzt Angst. Er sah, dass eine Schublade offen stand. Messer. Messer befanden sich darin. Ihn überkam ein mulmiges Gefühl. Er rannte die Treppe hinauf zu ihrem Zimmer. Auch dort brannte Licht. Er stürzte durch die Tür und suchte nach ihr. Das Bett - leer. Der Schreibtisch - leer. Seine Verzweiflung wuchs und wuchs. Dann sah er etwas Rotes am Boden. Ein dünner, dunkelroter Rinnsal Flüssigkeit. Farbe? ...Blut.
Jonathan befürchtete das schlimmste, als er der Spur ins Bad folgte. Die Tür war einen Spalt offen. Durch den kleinen Ritz floss das Blut in den Flur. Er legte seine Hand auf die Klinke, wollte hinein rennen, konnte nicht. Sein Unterkiefer begann zu zittern. Er schloss die Augen und öffnete die Tür. Stille. Er wusste, dass sie hier war. Er wusste, dass sie tot war.
Seine Augen öffneten sich von selbst. Da lag sie. Leblos. Blutverschmiert. Auf dem Boden.
Er hielte die Tränen nicht auf. Er weinte.
Er trat zwei Schritte zu ihr hin, weiter konnte er nicht. Ihm wurde schwindelig, stütze sich auf der Spüle ab.
Dann sah er etwas. Etwas, dass ihm vorher nicht aufgefallen war.
Wörter. In ihren Armen. Als er sie las, konnte er wegen der Tränen kaum mehr sehen.
Vier blutende Wörter, nur für ihn.
ES TUT
MIR LEID
„S … Selin.“
Er fasste ihre Hand und drückte sie. Seine Stimme zitterte.
„Wieso? W... wieso hast du dir das angetan?
Wieso konnte ich dich nicht retten?"
Sein ganzer Körper zuckte.
Ihre Hände waren voller Blut, ihre Augen rot verfärbt, in ihrem Herz... ein Messer.
Er sah nicht hin, blickte zu der Wand über der Badewanne. Seine Augen blieben hängen.
I'm sorry ...
but i love you.
Sie hatte es mit ihrem Blut an die Wand geschrieben… sechs Wörter, die das ausdrückten, weshalb sie sich in den Tod stürzte.
>>Sie ritzte weiter, auch wenn der Schmerz unerträglich war. Sie musste ihm mit dieser letzten Botschaft klarmachen, dass sie ihn nie vergessen wird... und dass sie ihn liebt.<<
Er wollte all das nicht mehr. Er konnte ohne sie nicht leben.
Lieber mit ihr zusammen im Tod, als ohne sie im Leben.
Jonathan dachte nicht mehr nach.
Er griff das Messer, das aus Selins Herz herausragte, zog es heraus.
Rot. Blutig. Ein Werkzeug des Todes.
Er betrachtete es… lange.
„Ich liebe dich auch…
Ich sterbe mit dir, weil mir unsere Liebe mehr bedeutet als mein Leben.“
Er flüsterte ihr seine letzte Nachricht ins Ohr,
gab ihr einen Kuss auf ihre Dunkelroten Lippen,
packte das Messer, führte die Spitze an sein Herz, rammte es hinein, vermischte ihr Blut mit seinem.
Das Gefühl war das einer inneren Explosion, er spürte es aber nicht.
Sein Körper zitterte, er röchelte, fiel zu Boden, neben sie.
Ihm wurde schwindelig, er packte Selins Kopf und drückte ihn auf sein Herz.
Ein letzter Satz, ein letzter Atemzug, Stille.
'Vergiss mich nicht.'
Freitag, 30. Dezember 2011
Sonntag, 11. Dezember 2011
Für immer Verloren
Sie musste nicht einmal aus dem Fenster sehen, um zu wissen, dass es draußen trostloser aussah als sonst. Sie spürte den kalten Wind, der an ihrem Nacken entlang schlich. Laureen saß in ihrem Zimmer, im Schneidersitz auf ihrem Bett, starrte die gegenüberliegende Wand an. Die Rollläden von ihrem Fenster waren zugezogen. Nur ein paar kleine Lichtstrahlen konnten sich durch die winzigen verbliebenen Ritze hindurch zwängen. Eine große Lampe in der Ecke des Zimmers tauchte alles in dunkelrotes Licht. Zusammengesetzt mit ihren schwarzen und dunkelvioletten Wänden ergab dies eine düstere, ja, beinahe unheimliche Atmosphäre. Laureen bewegte sich nicht. Sie wollte sich nicht bewegen. Sie weinte, die Tränen flossen über ihre Wangen, hinunter zum Kinn, sammelten sich zu einem Tropfen und lösten sich dann fast unmerklich, landeten auf der Bettdecke. Ihr Körper krampfte sich mit jedem Atemzug zusammen.
Sie hatte einen Fehler gemacht. Einen großen Fehler.
Ihr linker Arm begann stark zu zittern. Ihr war klar dass sie das nicht überleben könnte, wenn sie nicht jetzt einer rette.
Doch es kam keiner. Sie spürte, wie immer mehr Blut aus ihren Adern wich, wie schwach sie wurde, wie jeder einzelne Atemzug für sie tödlich sein könnte. Ihre Hand ließ die Klinge, die sie gefasst hatte, los. Sie hatte zu wenig Kraft noch irgendetwas zu halten, egal wie leicht es wäre. Ein leises Klirren gab ihr zu verstehen, dass sie auf den Boden gefallen war.
Mit einem Mal wurde das Zittern in ihrem Arm schlimmer. Sie wusste, dass es nun vorbei war. Ihre Augen nahmen jetzt alles nur sehr undeutlich, verschwommen und verzogen auf, ihr Atem ging schwer und Stoßweise, dann, ganz plötzlich, wurde es still... Still. Stiller. Totenstill.
Laureen's Körper fiel schlaff nach vorne, landete mit einem harten Aufprall auf dem Boden. Erst jetzt sah man, dass sich auf ihrem Bett eine große Blutlache gebildet hatte. Die Uhr, die sonst immer so leise und beinahe unmerklich schlug, hörte sich jetzt Zehn mal lauter an. Tick, Tack. Tick, Tack.
Laureen war tot, jede Hilfe kam von nun an zu spät für sie. Sie ist in einen ewigen Schlaf versunken, aus dem sie niemand mehr erwecken kann, egal wie sehr sich einer auch wünschen mag.
Ihr blasser Körper sah weiß aus, unter ihrem linken Arm färbte sich der Boden rot. Auf dem Unterarm stand etwas, hineingeschrieben mit Schmerz und endloser Qual. Aus den einzelnen Buchstaben quoll Blut hervor, lief auf den Seiten hinunter und verfärbte den Teppich.
Für immer verloren.
Sie hatte einen Fehler gemacht. Einen großen Fehler.
Ihr linker Arm begann stark zu zittern. Ihr war klar dass sie das nicht überleben könnte, wenn sie nicht jetzt einer rette.
Doch es kam keiner. Sie spürte, wie immer mehr Blut aus ihren Adern wich, wie schwach sie wurde, wie jeder einzelne Atemzug für sie tödlich sein könnte. Ihre Hand ließ die Klinge, die sie gefasst hatte, los. Sie hatte zu wenig Kraft noch irgendetwas zu halten, egal wie leicht es wäre. Ein leises Klirren gab ihr zu verstehen, dass sie auf den Boden gefallen war.
Mit einem Mal wurde das Zittern in ihrem Arm schlimmer. Sie wusste, dass es nun vorbei war. Ihre Augen nahmen jetzt alles nur sehr undeutlich, verschwommen und verzogen auf, ihr Atem ging schwer und Stoßweise, dann, ganz plötzlich, wurde es still... Still. Stiller. Totenstill.
Laureen's Körper fiel schlaff nach vorne, landete mit einem harten Aufprall auf dem Boden. Erst jetzt sah man, dass sich auf ihrem Bett eine große Blutlache gebildet hatte. Die Uhr, die sonst immer so leise und beinahe unmerklich schlug, hörte sich jetzt Zehn mal lauter an. Tick, Tack. Tick, Tack.
Laureen war tot, jede Hilfe kam von nun an zu spät für sie. Sie ist in einen ewigen Schlaf versunken, aus dem sie niemand mehr erwecken kann, egal wie sehr sich einer auch wünschen mag.
Ihr blasser Körper sah weiß aus, unter ihrem linken Arm färbte sich der Boden rot. Auf dem Unterarm stand etwas, hineingeschrieben mit Schmerz und endloser Qual. Aus den einzelnen Buchstaben quoll Blut hervor, lief auf den Seiten hinunter und verfärbte den Teppich.
Für immer verloren.
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