Sonntag, 20. September 2015

Drowning

Meine Hände verkrampfen sich langsam zu einer Faust. Meine Lippen kleben zusammengepresst aufeinander. Ich versuche, die aufsteigenden Tränen hinunterzuschlucken, doch die Macht des Augenblicks trifft mich mit solch einer Wucht, dass jede Kraft des Widerstands in mir erstirbt. Erinnerungen können so grausam sein. Wie kleine Schlangen schleichen sie sich an einen heran, dringen in den Verstand, erschaffen ein Netz aus Schmerz, ein Labyrinth voller Verlorenheit.

Zurück in die Vergangenheit geschleudert lande ich hart auf dem eisigen, dunklen Boden, huste Staub. Es ist so kalt hier. Jeder Versuch, mich aufzurichten, scheitert an der Tatsache, dass ich keine Kraft habe, aufzustehen. Nicht zu diesem Zeitpunkt. Meine Arme geben unter meinem Gewicht nach, immer wieder breche ich zusammen. Schreie der Angst wollen sich aus meiner trockenen Kehle quälen, doch auch die Stimme ist mir versagt.

Ich spüre die Tränen. Spüre, wie warm sie meine Wangen hinab fließen. Höre mein Schluchzen. Ich zittere. Bitte, so lasst mich doch endlich gehen. Mein weiches Bett fühlt sich plötzlich steinhart an. Die verschwommenen Umrisse meines Zimmer überlappen sich mehrmals, bevor sie kurz zu einem Bild verschmelzen. Ich schlinge die Hände um die Knie und versuche, die kläglichen Laute, die aus meiner Kehle flüchten, zu ersticken. Hitze wallt durch meinen Körper, meine Augen brennen. Wie kleine Flammen wütet der Schmerz durch meinen Schädel, beginnt, Teile meiner Kraftreserven zu versengen. Ich will schreien, alles aus mir heraus schreien.
Als die Erinnerung in mich eindrang, konnte ich die elenden Laute der Angst und Sehnsucht nicht mehr zurückhalten. Wie ein Speer aus feuriger Kälte geschmiedet schoss sie in mich hinein und verankerte sich schmerzhaft in meinem Bewusstsein.

Du wirst immer meine beste Freundin bleiben. Ich werde dich nie gehen lassen.

Warum hast du es dann? WARUM? Warum bist du gegangen?“
Ich nehme kaum wahr, wie sich Satz für Satz meine Einsamkeit in den Vordergrund schlägt. Minute um Minute schleichen sich immer mehr Worte zwischen den Schluchzern hindurch. Ich spreche sie zittrig hinaus in den Raum, hinauf zur Decke, kaum erkennbar hinter der Wand aus Tränen, die immer während aus meinen Augenwinkeln flüchtet. Das gesamte Zimmer – ausgefüllt von Leere. Alles zieht sich zusammen und dehnt sich aus. Pulsiert wie das Blut, dass durch meine Adern fließt, glühend heiß und zugleich so kalt, dass es jeden Moment zu gefrieren scheint. Die Welt bebt.

Nur noch einmal in deinen Armen liegen, nur noch einmal das Gefühl von Geborgenheit spüren. Nur noch einmal...

Mein Körper fühlt sich an, als sei er aus Blei. So Schwer, dass ich Angst bekomme, durch's Bett hindurch in die Untiefen der Erde gezogen zu werden, um dort in der Hitze des Erdkerns zu verbrennen, bis nichts mehr übrig ist. Meine eigene Asche wird der Weg zu meinem Grab sein.
Die Atmung geht flach, alle Kraft ist verflogen. Mein zur Decke gerichteter Kopf landet unsanft auf meinem Arm. Selbst die Tränen sind verflogen. Außer der unerträglichen Wärme, die von meiner Wange ausgeht, spüre ich nichts mehr. Die Ränder meines Sichtfeldes beginnen, sich zu schwärzen, immer näher in die Mitte zu rücken, um mich ein für alle Mal in der Dunkelheit zu verschlingen.
Meine zur Faust verkrampften Hände erschlaffen und bleiben leicht gekrümmt auf der Bettkante liegen. Die Knie – angewinkelt an den Körper.

You broke me. Forever.

So bleibe ich liegen. Alles ist schwarz. In meinem Kopf herrscht Chaos. Die ausgesprochenen Worte hallen noch einige Zeit im Zimmer wider, ehe sie wimmernd verklingen und sich langsam eine Totenstille verbreitet. Das geschwächte Herz pumpt, doch ich spüre gar nichts.
Ich lasse mich gehen, leise, ziehe aus meinem Körper, weiter, direkt hinein in den ewigen Schmerz und warte sehnsüchtig darauf, endlich darin zu ertrinken.

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