Mittwoch, 24. Dezember 2014

Fremdkörper

Es gibt da ein Mädchen. Sie ist sehr verschlossen, und doch will sie zeigen, wer sie ist. Sie öffnet sich kaum anderen Menschen, und doch ist sie besessen vom unwirklichen Respekt anderer. Man bemerkt sie im Leben kaum. Nur an gewissen Tagen wagt sie sich aus ihrem Versteck, schleicht hinaus ins Leben, um dort kaum merkbar umso größere Spuren zu hinterlassen. Wie sie heißt weiß niemand, sie hat ihren Namen nie verraten. Wenn sie ins Leben tritt, wirkt sie auf andere wie ein abwesender Körper, der, versunken in kalte Träume, durch die Gegend zieht, mit leeren Augen, leerem Blick, abwesend, wie ein Zombie. Sie hört nicht auf Geschehnisse in ihrer Umgebung. Sie lebt in einer eigenen Welt. Träumt sich in diese hinein. Sie hat keine Ahnung was für eine Wirkung sie auf andere hat. In ihrer eigenen Welt ist es dunkel. Dunkel und zugleich warm. Mehr verrät sie jedoch nicht, alles weitere ist verschleiert durch dichte Schwaden von etwas, was sich nicht erkennen lässt. Oder sich erkennen lassen will. Sie kann diese Welt verlassen wann sie will, betreten wird sie nicht von ihr - wenn sie in ihrer Welt wandelt, war sie bereits da. In der Außenwelt kommt niemand an sie heran. Sie ist so nah - und doch zugleich unerreichbar für alle außenstehenden. Sie leben mit ihr zusammen und doch kennen sie sie kein Stück. Einzig und allein ihr verträumtes, abwesendes äußerliches Erscheinen prägt ihre Erinnerung an sie. Manchmal, wenn es diesem Mädchen besonders schlecht geht, da hat sie Angst. Ihre dunkle, warme Welt verfärbt sich in ein endloses Schwarz, ein kaltes Schwarz, dass einem Gänsehaut und Angsttränen verschafft. Sie verträumt sich in diese Welt nicht von selbst, sie wird mit einem Mal hineingezogen. Sie fühlt sich nicht wohl. Das ansonsten wärmende Gefühl hinter all diesen Verschleierungen ist nicht mehr da. Sie fällt. Fällt. Fällt. Immer tiefer, immer schneller. Die Kälte des Todes umarmt sie mit eisigen, rauen Pranken. Sie will schreien, will Hilfe, doch kein Ton kommt aus ihrer Kehle. Sie ist gefangen. Im freien Fall. Direkt hinein in den Tod, und der Sturz hört nie auf, sie schwebt durchs Endlose, immer währende eisige dunkle. Sie fühlt den Tod, fühlt wie ihr Leben erstirbt, langsam und qualvoll, spürt, wie sie alles verliert, und es will sein Ende nicht nehmen. Der Moment, in dem all diese Gefühle enden, all der Geruch nach Verwesung verfliegt, all die Dunkelheit zu enden scheint, endet auch ihr sein. Wieder einmal verkriecht sie sich in ihrem Versteck, geschwächt, allein, weinend. Dort bleibt sie mit ihrem Schmerz. Einsam. Sie versucht diese Reisen in den Tod zu vermeiden, so oft es geht. Doch die Angst vor dem Tod hat sie unter Kontrolle, und ist sie einmal in dieser Eiswelt gefangen, so kommt sie alleine nicht mehr heraus, nicht heraus, bevor es endet. Es gibt andere Tage. Tage, an denen ein Fremdkörper in ihr Schmerzen verursacht. Schmerzen, die nicht wirklich ihre sind. Sie liebt diese Schmerzen, liebt sie von ganzem Herzen, will sie teilen. Von Ruf des Schmerzes gelockt, schlüpft sie wieder einmal aus ihrem Versteck. Sie eigenet sich den Schmerz an. Es ist ein ganz besonderer Schmerz. Kein Schmerz, den einem die Umwelt zufügt. Ein Schmerz, der aus einer ganz anderen Ecke kommt. Einer Bösen Ecke. Einer Ecke, über die sie mit euch nicht reden will. Sie will nicht darüber reden, sie will es zeigen. Allen. Jedem Außenstehenden, will zeigen, wie wundervoll dieser Schmerz ist, wie stolz sie darauf ist, ihn spüren zu dürfen, will zeigen, dass es nichts schöneres gibt, dass es ihre sind, sie irgendwo ihr gehören, allein ihr. Sie will, dass jeder neidisch ist, keiner diesen Schmerz übertrumpft, keiner, will zeigen, dass sie die beste ist.
Der Fremdkörper des Schmerzes folgt ihr auf dieser Reise. Er weigert sich. Es ist ein winzig kleiner Funken Widerwillen, und dieser Funken ist zu klein, sie von ihrem Vorhaben abzuhalten. Sie nimmt zu viel Platz in diesem Fremdkörper ein, wenn sie außerhalb ihres Versteckes ist. Der Fremdkörper, das bin ich. Ich versuche euch, irgendwie etwas über dieses Mädchens mitzuteilen. Ich versuche es so gut ich es kann, doch sie verschließt sich vor mir, sobald ich beginne, über sie nachzudenken. Ich kenne ihren Namen nicht, kenne ihre Hobbys nicht, kenne SIE nicht. Sie ist für mich ein Fremdkörper, so wie ich wohl für sie ein Fremdkörper bin. Wenn ich mich selbst verletzte, kann ich sie spüren, ich spüre sie in den offenen Wunden, spüre sie in meinen Tränen der Wut und der Trauer, spüre sie überall wenn ich das Blut fließen sehe. Spüre ihre Kraft, ihren Willen diesen Schmerz zu besitzten. Und ich bin einfach zu schwach mich gegen sie zu wehren. Ich weiß nie, wann genau sie aus ihrem Versteck kommt. Genauso wie ich nicht weiß, wann sie wieder geht. Ich kann nur ungenaue Zeitspannen ihrer Anwesenheit feststellen. Dies sind jene Zeitspannen, an die ich mich nicht erinnern kann. Es ist wie ein Blackout nach einer Alkoholexzessiven Nacht, verschleiert durch Schwaden aus etwas, was ich nicht benennen kann. Sobald ich versuche, sie mir vorzustellen, was sie in meiner Abwesenheit macht, jedes Mal wenn ich es versuche, tauchen diese Schwaden auf und alles verschwimmt. Egal ob nach Selbstverletzung oder anderen Situationen. Zum Beispiel wenn ich abdrifte. Manchmal bekomme ich noch mit, wenn mir das passiert. Da merke ich, wie ich aus meiner Welt gleite, irgendwo hin, in etwas dunkles, warmes. Ab diesem Punkt ist alles weg. Ich habe keine Ahnung, was in diesen Zeiträumen mit mir passiert, was ich mache, aber darüber wird SIE euch mehr erzählen können. Wenn sie will. Ich habe keine Ahnung ob sie will. Ich kenne sie nicht. Obwohl sie mir näher sein kann als jeder andere. Ich kenne sie nicht. Sie ist ein Fremdkörper für mich. Ich bin ein Fremdkörper für sie. Wir leben gemeinsam, miteinander. Fremdkörper in Fremdkörper. In manchen, seltenen Augenblicken weiß ich nicht mehr, ob ich noch ich bin. Das bedeutet nicht, dass ich mich dann in sie versetzten kann, es ist eher so, dass ich nicht mehr nachvollziehen kann, ob das alles noch real ist. Ich erkenne mich in meinen Angewohnheiten, in meinen Hobbys und meiner Denkensweiße. Trotzdem fühlt sich alles anders an.
Nothing's real. Everything's far away. Everything's a copy of a copy of a copy...
Ich weiß nicht, ob ihr nachvollziehen könnt, wie es in mir aussieht. Es ist schwer zu erklären, wie es in mir aussieht. Ich will nur, dass mich jemand versteht, und ich will sie verstehen können. Meinen Fremdkörper. Jener, der in mir sein Versteck gefunden hat - und herauskommt, um ein Leben auszuleben, dass ich versuche, von allem und jedem fernzuhalten. Ein Leben, welches nicht meines ist. Ein eigenes Leben, mit Sehnsucht nach Schmerz, Schmerz, der Respekt verdient haben soll, der gesehen werden will, gelobt werden will.
Ich kenne sie nicht. Ich weiß nicht, wer sie ist. Sie hat keinen Namen. Ich nenne sie Amelie.

Mittwoch, 11. Juni 2014

Selbstschutz



Das schlimmste Gefühl ist, wenn dir keiner helfen kann. Man möchte weg aus der Welt, sich verkriechen, sich die dunkelste, abgelegenste Ecke suchen und mit ihr verschmelzen. Man will keinen sehen, keinen hören und keinen spüren. Die Angst und Verlassenheit übernimmt deine Kontrolle und vollkommene Schwäche übermannt deinen Körper. Die Leute versuchen dir zu helfen, obwohl sie wissen, dass es nichts zu helfen gibt. Wenn ein Körper im Nichts schwebt, zwischen lauter Verlorenheit und Schmerz, ist Hilfe ein tonloser Schrei, der dich nicht mehr erreicht. Sie wollen mit dir reden, doch es kommt nichts an. Der abklingende Laut ihrer Stimmen verliert sich viele, viele Kilometer in der Dunkelheit, bevor er als eiskalter Windhauch bei dir ankommt, der dich immer mehr ins Unglück stürzen lässt. Du willst und kannst nicht reden, und sie können es nicht verstehen. Sie wissen nicht, wie es in dir aussieht. Das alles, was dir übrig geblieben ist, durch eine minimale Berührung zerbrechen kann. Und doch fuchteln sie mit ihren Händen an dir herum, versuchen dich wachzurütteln aus deiner Trance, die dich in ihren Fängen hat, der dein einziger Schutz in all dieser Dunkelheit ist. Er umschließt dich mit gewaltiger Kraft, zerquetscht dich beinahe, doch du brauchst diese gewaltsame, unsanfte Stärke. Sie ist der einzige Weg, Herz und Kopf beieinander zu halten. Der unaufhaltsame Schmerz versucht sie mit allen Mitteln voneinander zu trennen,  für immer und ewig. Und genau dort, wo du liegst, halb zerdrückt von der Last in deiner Seele, umhüllt von eisiger Hitze und feuriger Kälte, genau da ist der einzige Ort, der dich schützt. Dich schützt vor den dumpfen Schlägen, den verzweifelten Rufen von draußen, die dir helfen wollen. Wie gewaltige Flutwellen rollen die kläglichen Versuche, dich zu erreichen, auf dich zu, ziehen an den eisernen Ketten um dich zurück in die Realität zu holen, doch du bist schwach und deine Ketten zu stark, um dich von deiner Einsamkeit loszureißen. Immer mehr verkriechst du dich in deinem Schmerz, verschließt dich vor der Außenwelt, lässt nichts mehr an dich ran, nicht einmal die kleinen eisigen Windböen, die einst einmal nach Hilfe versprechende Rufe waren. Es wird ganz still um dich herum, nur dein langsamer, schwacher Puls tönt in deinem von Leere ausgefülltem Kopf. Obwohl die Schwärze um dich herum nicht vollkommener hätte sein können, wird es immer dunkler. So dunkel, dass du nicht mehr weißt, ob du überhaupt noch existierst. Trotzdem pulsiert dein Herz weiter, will nicht aufhören zu schlagen. Abwechselnd übermannt dich extreme Hitze und eisige Kälte. Im Sekundentakt fängt das Blut in dir an zu kochen und zu gefrieren. Das Atmen fällt dir immer schwerer, und doch hörst du nicht damit auf. Weil irgendwo in dir drin ein winzig kleines Stück Hoffnung lebt, irgendwo zwischen all dem Schmerz und der Trauer. Es sitzt ganz tief in dir drin, ein winzig kleines Stück deiner Persönlichkeit, das so stark ist, dass es überlebt. Und es ist zwar stark, doch nicht so stark, dass es dir jetzt helfen kann. Es braucht Zeit, Unmengen an Zeit um zu wachsen und dich aus deinem Tiefschlaf erwachen zu lassen. Noch ist es nicht so weit. Du wirst weiter in deinem kleinen Cocon, aus verzweifeltem Selbstschutz gebaut, verweilen und versuchen, den Schmerz weiterziehen zu lassen, um Hilfe annehmen zu können. Du hast keine Ahnung wie lange es dauern wird, doch das ist dir auch egal. Im Moment willst du nicht zurück in die Welt da draußen, voller kleiner und großer Gefahren, die dich in Sekundenbruchteilen zerstören können. Du würdest zerbrechen, deine Ketten würden dich nicht mehr halten können und dein Herz und dein Kopf würden sich für immer verabschieden. Das schwierigste im Leben ist, Herz und Kopf im Einklang zusammenarbeiten zu lassen. Wie sollst du das schaffen, wenn sie im Moment nicht einmal auf freundschaftlicher Basis miteinander verkehren? Nein, solange dass nicht funktioniert, kannst du nicht raus aus deiner Isoliertheit. Manchmal hilft nur das. Die Menschen draußen müssen lernen zu verstehen, dass reden nicht immer etwas bringt. Vor allem nicht, wenn sie nur aufs Herz oder nur auf den Kopf fokussiert sind. Sie müssen lernen, einen Menschen dann in Ruhe zu lassen, wenn er es braucht. Denn wenn sie es nicht tun und weiter versuchen auf dich einzugehen, wird dein Widerstand der Ignoranz irgendwann brechen und du wirst dich damit befassen müssen. Und das ist der springende Punkt. Manchmal kann ein zerstörter Mensch nicht über das reden, was ihn kaputt macht, weil er es nicht erträgt, die Situation wieder und wieder anzusehen. Geht man es zu früh an, sprengt es einem den Willen, verstehen zu wollen. Der Verstand schaltet sofort auf stur und du schüttelst deinen Kopf, immer wieder und immer weiter, weil du nicht willst, dass die Menschen erkennen, dass du grade zu schwach und zu widerstandslos bist, um zuzugeben, dass du im Moment die Situation nicht erkennen und verstehen willst. Und die Tränen der Angst fließen, weil der Schmerz so unglaublich wehtut und dir alles raubt, was dir wichtig ist. Die Zeit ist noch nicht gekommen, sie ist noch etliche Kilometer von dir entfernt und wartet auf den richtigen Zeitpunkt. Im Gegensatz zu den Menschen draußen in der Welt, versucht die Zeit sich nicht zu beeilen und dich zu bedrängen, um zu reden. Sie lässt dir das einzige, was du momentan hast. Selbstschutz. Sie kennt dein kleines Geheimnis, dein kleines Stückchen Hoffnung, dass du tief in dir verborgen mit dir trägst und wartet, bis es groß genug geworden ist, um die Angst, den Schmerz, die Verlorenheit und Verlassenheit in Angriff zu nehmen.
Deine Augen werden schwer. Leise schleichen die Tränen über deine Wangen und nehmen die ersten Fetzen Trauer mit sich. Dein Puls schlägt ein minimales bisschen schneller und stärker und du spürst, wie sich die Fesseln um einen Nanometer lockern. Es wird jeden Tag so weitergehen und mit jeden 24 Stunden wird es ein wenig leichter werden, den Weg zurück in die alte Welt zu finden. Bis dahin bleibst du dort liegen, da, wo du allein und einsam bist, wo dich die starken Fesseln halten, deinen Kopf und dein Herz miteinander verbinden und du alles, was dich langsam zerstört mit eigener, nervenaufreibender Kraft aus dir herausschleudern kannst, solange, bis es zu Ende ist und du mit einem kraftvoll schlagendem Herz und einem großen Stück Hoffnung aufrecht aus deiner dunklen Ecke herauskommst, mit offenen, klaren Augen und einem Lächeln im Gesicht.

Freitag, 28. März 2014

Schuld

Ich hasse das Gefühl.
Dieses ätzende Drücken über dem Herzen.
Die Übelkeit, die nicht vom Essen kommt.
Das eisige Gefühl, das Gänsehaut verursacht.
Wenn die Augen in eine Art Starre verfallen, weit aufgerissen die vorbeiziehenden Menschen beobachten.
Aufmerksam, immer darauf erpicht, irgendetwas zu erwischen. Eine einzelne, flüchtige Träne. Kleine, pulsierende Fäden zerfallender Seelen. Ein einziges Wort. Ein wenig Klarheit.
Aber nichts.
Keine Träne, kein Hauch von Leben, kein Wort, kein bisschen Klarheit.
Ich will mir vertrauen, doch ich kann nicht.
Bleibe unter Menschen, bloß nicht alleine sein.
Gedanken schreien nach Selbstverletzung.
Angst übernimmt die Kontrolle.
Bewegung. Endloses Hin- und herlaufen.
Eisspray und Finalgon als Schmerzalternative.
Minimale Entspannung, nur kurzes anhalten.
Es wird schlimmer, macht kaputt.
Zittern ohne jegliches Kälteempfinden.
Weit aufgerissene Augen, leerer Blick.
Bloß nicht alleine sein ... nie alleine.
Atmung zittert, stockt... ungleichmäßig.
Ein Buch feste an mich gedrückt.
...Das Böse in uns...
Schnelles Atmen, zittrig.
Tränen.
Wenige, kaum erkennbar.
Angst, Angst, Angst...
Ein Zettel. Unter geschlossener Tür hervorgeschoben.
Aufgehoben mit zitternder Hand, eiskaltem Gefühl.
Lesen. Verstand und Hoffen stürzen in den Tod.
Zusammenbruch.
Tränen kommen ungehalten.
Kein wehren gegen schreien und Schmerz.
Vor und zurückwippen. Endlos...
Sturz wird aufgefangen.
Kurz vorm tödlichen Ende.
Rettung in letzter Minute.
Reden. Schweigen brechen.
Noch ein zweites Mal Finalgon und Eisspray.
Besser, ein wenig.
Äußerlich lächelnd, innerlich tobend.
Noch immer nicht alleine sein.
Geschlafen in einem Zimmer, gemeinsam mit Hilfe.
Und
den Schmerz
aus dem Körper ziehen lassen.

Donnerstag, 13. März 2014

Persönlichkeitsscherben

Kalte Welt,  düster und grau.
Geliebt vom Hass, verlassen von dem, was mich einst zu meiner Selbst werden lies.
Wo bin ich hin? Meine Persönlichkeit?  Zu wem bin ich geworden?
Gestik, Mimik, Charakter. .. verschlungen in einer ewig währenden Zeitspanne,  die mich - Stück für Stück,  immer mehr in meine Einzelteile spaltet, weiter und weiter,  bis ich nur noch aus einem zerfallenen Haufen Persönlichkeitsscherben bestehe. Eiskalter Wind weht durch meine gespaltene Hülle, fegt die Splitter in dunkle Ecken,  schwarze Gefilde, und sie verschwinden für immer.
Mein Verstand verschwimmt, ich versuche mit blinden Händen mich selbst wiederzufinden.  Meine Finger greifen ins Leere, immer wieder,  bekommen nichts zu fassen, zittern. Durch meinen Kopf wirbeln Tornados,  zerstören meinen Willen,  meinen Mut, meine Kraft.
Blind irre ich umher, weine Tränen der Verlorenheit, schreie. (Schreie, schreie...)
Benommen nehme ich wahr, wie sich mein Körper aufzulösen droht.  Schneller und schneller. Hektisch taste ich nach meinen Scherben,  kleinen, absterbenden Teilen meiner Seele,  finde nichts. (Ich vergehe
...)
Panik ergreift den letzten Rest meines Verstands. Im kalten Leuchten des an mir zerrenden Nichts rappele ich mich hoch und renne, renne um mein Leben,  reiße aus Personen,  die mir entgegen kommen kleine Teile ihrer Persönlichkeit heraus,  umklammere sie mit so festen Griff, dass meine Faust anfängt zu bluten.
Ich  beginne zu sammeln,  jene Teile meiner verlorengegangenen Seele und verwahre sie fest im meinem Kopf,  kette sie an, doppelt und dreifach.
Ich komme zurück,  langsam. Die Tornados verschwinden,  hinterlassen ein Chaos in meinem Schädel,  dass ich selbst in ein paar Jahren nicht aufzuräumen vermag.
Meine Persönlichkeit - gefüllt mit Gesten und Charakterzügen, die nicht meine sind.
Atmen. Ich muss atmen.
Schließe die Augen. Verlasse meinen Körper.
Um für kurze Zeit nach mir selbst zu suchen.
In den schwarzen Gefilden,  den dunklen Ecken - dort,wo ich mir einst verlorengegangenen bin.
So schwebe ich durch mein Leben und beginne mit Schmerz in den Augen meine Suche.

Montag, 10. März 2014

Chaos im Kopf - Teil 3


Chaos im Kopf – Teil 3
Sie verschwinden einfach nicht – geschlagene drei Wochen geht es nun schon so.
Die Müdigkeit wird zum Alltag, Versagensängste zur Realität.
Ich kann einfach nicht schlafen. Die Nacht empfängt mich mit brennenden Augen. Erschöpfung schwächt mich bis ins Knochenmark. Doch sobald ich in meinem Bett liege und die sonst so angenehme Dunkelheit in mich eindringt, liegt meine Körperkontrolle plötzlich auf Eis. Gedanken werden durch meinen Kopf geschleudert – tausende Emotionen schwirren durch meinen Körper. Meine Sinnesempfindungen spitzen sich zu, mit einem Mal nehme ich jedes kleinste Geräusch wahr, jede Lichtveränderung, jeder Geruch, jeden kleinsten Windhauch, so lange, bis mich der Schlaf endlich zu fassen bekommt und mir für wenige Zeit die drückende Erschöpfung von guten 168 Stunden von den Lidern genommen wird.
Ich schlafe. Doch die ersehnte Erholung tritt nicht ein. Denn sie kommen. Angstzustände. Zittern. Keuchen … Alpträume. Sie rauben mir die Ruhe, durchforsten meine Erinnerungen und verwenden sie gegen mich. Meistens bin ich schon bei Bewusstsein, obwohl ich noch nicht wach bin. Ich werde in meinen Träumen festgehalten, muss sie ertragen, trotz dass ich weiß, dass all das nicht real ist. Dann, wenn mein Wecker klingelt und ich meine Augen öffne, ist mit einem Schlag meine Müdigkeit wieder da. Ich quäle mich aus meinem Bett, unmotiviert auch nur irgendetwas zu tun, außer weiterzuschlafen – mit der Voraussetzung endlich Erholung zu finden, auch wenn ich weiß, dass es nicht so sein würde.
Hunger? - Habe ich nicht. Doch essen tue ich trotzdem was – nur, um soweit auf die Beine zu kommen, dass ich packe, in die Schule zu gehen.
Sie geben mir Medikamente. Dann, wenig später, mit einer Kippe in der Hand auf dem Schulweg. Auf andere Gedanken kommen. Abreagieren. Durchatmen.
Meine Konzentration ist im Arsch – ich versuche, mich auf Mathe zu konzentrier'n, doch mein Kopf macht, was er will. Nach sechs Stunden auf dem Weg nach Hause. Erschöpft, müde, ausgelaugt. Ich lege mich hin, nur für eine Stunde. Doch wieder plagen mich Alpträume und nehmen mir die Erholung.
Ich brauch Kaffee. Luft. Nikotin.
Mein Körper erholt sich nicht mehr.
Ich versuche, die Lautstärke auszuhalten, die Zickereien zu ignorieren und meine Wut abzubauen, bevor sie aus mir herausbricht.
Abend. Tun, was zu tun ist.
Essen. So viel wie nötig.
Medikamente. Mehr als genug.
Die Müdigkeit ignorieren, und – wie immer, mit brennenden Augen den Lichtschalter der Welt ausschalten und auf Erholung hoffen.

Samstag, 11. Januar 2014

Meeresrauschen

Es ist still. Druck liegt auf meinen Ohren. Ich stehe in Leere, Dunkelheit, ein Mantel aus Schwärze und Trübsal. Meine Augen sind geschlossen. Ich befinde mich im Nichts. Keine Sinne. Einzig und allein umgeben von der schwebenden Atmosphäre, die ich weder spüren, noch hören, noch sehen, noch riechen kann. Mein Atem geht langsam. Bin weder angespannt noch entspannt, weder aufmerksam noch abgelenkt. Ich höre auf meinen Atem. Stille. Langsam öffne ich die Augen. Dunkelheit. Ich bewege den Kopf. Überall um mich herum. Leise und vorsichtig drehe ich mich um mich selbst. Noch immer liegt ein dumpfer Druck auf meinen Ohren, doch er zieht sich langsam zurück. Die Schwärze beginnt sich, zu verkriechen, leise und mit Bedacht, als wollte sie versuchen, mich nicht zu stören. Es wird hell. Von Sekunde zu Sekunde ein Stück mehr, aber ohne Konturen anzunehmen. Keine Gestalten. Nur dunkles Grau, dass mehr und mehr zu hellem Grau, zu Weiß wurde. Aus der endlosen Schwärze wurde gleißende Helligkeit. Ich kniff die Augen zusammen,. hörte auf zu atmen. Der Druck auf meinen Ohren war fast nicht mehr zu spüren. Ich begann, unruhig zu werden. Die Leichtigkeit in meinem Gehör verwirrte mich. Noch immer war es still, aber auf eine andere Art. Sie hätte mich beruhigen sollen, doch ich wurde immer nervöser, trat ständig vom einen Fuß auf den anderen. Irgendwie gab sie mir das Gefühl, dass etwas passiert. Etwas, was mich aus dem Konzept bringen würde. Und als hätte sich dieser Gedanke verselbstständigt, geschah es. Anfangs hörte ich es kaum. Es kam mir vor wie die üblichen Hintergrundgeschräusche an einem normalen Tag, wie das Rauschen der vorbeifahrenden Autos auf der Straße oder das Rascheln der Blätter von Bäumen im Wind, doch da es das einzige Geräusch um mich herum war, konnte ich mein Gehör nicht davon abwenden. Ich blieb an dem Geräusch hängen wie ein Insekt im Netz einer Spinne. Ich hätte es mit dem Geräusch eines verstellten Radiosenders vergleichen können, doch irgendetwas störte mich an der Vorstellung. Irgendetwas ... nach wenigen Minuten erkannte ich es. Das Rauschen um mich herum wurde lauter und vermischte sich mit dem Pfeifen des Windes. Rhythmisch kam und ging das Rauschen, wurde lauter, und wieder leiser. Ich begann, Salz zu schmecken, spürte den Wind, der an meinen Haaren zerrte, mich nach vorne trieb. Unbeholfen taumelte ich ein paar Schritte vorwärts, die Augen nach wie vor feste zusammengekniffen. Das Geräusch nahm voll und ganz meine Aufmerksamkeit in Besitz, ich hörte immer und immer wieder genau hin, wie sich das Rauschen entfernte und wieder näher kam. Weg. Nah. Weg. Nah.
Das Pfeiffen des Windes wurde stärker, kräftiger, nahm mich mit, zog mich mit ins Unbewusste. Meine Augenlider flatterten, zwischen grellem Weiß blitzen für Sekundenbruchteile Blaues Schäumen und Besch - farbene Bildabrisse auf. Irgendwas wehte mir ins Gesicht. Es war rau und körnig. Ich schlug mir die Hände vor die Augen und versuchte, mich vor dem Ansturm von Wind und Schmerz zu schützen. Immer wieder riss mir der Wind beinahe den Boden unter den Füßen weg und ich taumelte und taumelte und taumelte, konnte mich kaum auf den Beinen halten. Das Rauschen in meinen Ohren. Der Geschmack von Salz auf meiner Zunge. Der Wind, der mir scharf ins Gesicht peitschte. Mit einem Mal war alles vorbei. Leicht in der Hocke, die Arme schützend vor den Augen stand ich da, als ich mit einem Mal mein Gleichgewicht wiederfand, meine Haare vom Wind losgelassen wurden, die langsam ihren Platz auf meiner Schulter einnahmen. Vorsichtig nahm ich die Hände vom Gesicht und rieb mir über die Augen, die sich wie von selbst öffneten. Kleine, unscheinbare, stille Tränen schlichen über meine Wangen, während ich da stand und den strahlendblauen Himmel beobachtete. Ein wenig zittrig fuhr ich mir durchs Haar und sah nach unten. 50 Meter unter mir brandete das Meer, schlug hart gegen die Felsen. Ich musste schwer schlucken und riss den Kopf Richtung Himmel. Meine Lippen zuckten, ich unterdrückte den Drang, loszuschluchzen, schloss die Augen und lies die Erinnerung auf mich einströmen.
Ein warmer Tag, seichter Wind. Ich war drei, vielleicht vier, lief in schnellen, hastigen Schritten durch den Sand. Ich lachte. Großvater hatte die Kamera dabei. Filmte, wie ich richtung Meer lief, hinfiel, mich zu ihm umdrehte, schelmisch in die Kamera grinste, aufstand und weiterging. Meine Schritte verlangsamten sich, als ich das Wasser erreichte. Ich ging behutsam ein, zwei Schritte durchs Wasser. Mied die Stellen, wo Algen still vor sich hin schwebten, spürte die Kühle Nässe um meine kleinen Beinchen herum. Ich blieb stehen und sah nach vorne. Hinaus in die endlose Weite. Blau. Rauschen, sog die Luft ein und atmete mit einem Kichern aus. Genauso lieb ich stehen, solange, bis Großmutter mich rief und ich in ihre Arme lief, sah, wie sie mir ein paar schweißverklebte Strähnen aus dem Gesicht strich und die Erinnerung langsam verschwand.
Meine Hände verkrampften sich jede Sekunde ein wenig mehr. Tränen strömten ungehalten über meine Wangen, das Rauschen des Meeres unerträglich in meinen Ohren. Ich hatte das Meer immer geliebt. Eine weitere Erinnerung schoss auf mich ein.
Ich war älter. Vielleicht 14 oder 15. Meine Augen waren ausdruckslos. Meine Haare wehten mir ins Gesicht, aber es störte mich nicht sonderlich. Ich sah mich um. Überall Menschen, kleine Kinder, die Frisbee spielten oder alte Pärchen, die sich auf einem Handtuch sonnten. Mein Blick schwebte umher, nahm alles in sich auf. Im Wasser befand sich eine kleine Gruppe von Jugendlichen. Zwei von ihnen waren auf einem Schlauchboot unterwegs. Der Rest saß eng beisammen auf einer Plattform knapp 50 Meter vom Strand entfernt. Ich hörte sie kichern und lachen, beobachtete sie. Eines der Mädchen stand auf. Sie war schlank und hatte lange, blonde Haare. Sie schlich hinter einen Jungen, der sich grade aufrichtete, nahm ein wenig Anlauf und sprang auch ihn zu. Just in dem Moment drehte sich der Junge um. Ich hörte, wie er aus Spaß aufschrie und sie sich an ihm festklammerte, ehe sie gemeinsam ins Wasser stürzten. Als ich bemerkte, wie sie sich mitten im Flug küssten, sah ich weg. Auf den Boden. Kälte machte sich in meiner Brust breit. Mir war klar dass ich nie so etwas hatte und ich auch nicht wusste, ob ich jemals so etwas haben würde. Der Gedanke ging, ich drehte mich um und verschwand hinter der Düne, als die Erinnerung endete. Mein Herz pochte so laut in mir, dass ich das Gefühl bekam, es wurde gleich mit einem Schmerzensschrei aus meiner Brust hüpfen. Meine Augen waren rot und geschwollen. Ich sah unscharf durch die Tränen, sah nicht wohin ich ging, setzte langsam, vorsichtig, einen Fuß vor den anderen. Der Wind nahm wieder zu, schob mich nach links. Nach dem sechsten Schritt spürte ich keinen Halt mehr unter meinen Füßen, merkte nur noch, wie ich mit dem rechten Fuß zuerst über die Kante der Klippe glitt und ich leise, in Zeitlupe, das Festland über mir kleiner werden sah. Ich wollte meine Augen schließen, doch sie blieben offen, wollte das Salz nicht mehr schmecken, doch konnte es nicht, sondern schwebte immer schneller dem Rauschen des Meeres entgegen, bis es mich für immer in sich verschlang und der dumpfte Druck und die trübselige Schwärze wieder seinen Platz in mir einnahm.
-------------------------------------------------------------------------------------------------------

Hallo, ihr lieben.
Dieser Text hat eine ganz besondere Bedeutung für mich.
Ich habe ihn auch nicht nur aus Spaß oder Lust geschrieben, sondern, damit mehr Menschen verstehen können, was gewisse Geräusche in mir auslösen können.
In diesem Falle geht es wie ihr wohl bereits bemerkt habt, um das Rauschen des Meeres.
Der Text hat keinen Geschichtlichen Sinn, sondern dient als Methapher für meine Gedanken, wenn ich dieses Geräusch höre.
Ich habe diesen Text geschrieben, damit sich meine Therapeutin ein Bild machen kann, nachdem ich in der Entspannungsgruppe eine stille Panikattacke durchlitten habe.
In Hoffen dass mir der Text in der Therapie hilft. - Melody