Sonntag, 6. November 2016

Individuell universell

Der Tee in meinen Händen fühlt sich warm und schützend an und riecht wie der Tee von den Pfadfindern. Ich sauge den aufsteigenden Dampf ein und spüre das altbekannte Sympathiegefühl, das mich immer überkommt, wenn ich daran denken muss. Ich schmecke den Wind, das absterbende Laub der Bäume und das Holz der kleinen Hütte, der leichte, aber angenehm muffige Geruch im kleinen Innenleben, das immer an diese typischen Märchenhütten erinnerte, klein und gemütlich, Holztisch und Bänke, eine kleine Küche mit Blechkesseln und wenigen, alten Töpfen und Porzellanschüsseln. Im größeren Raum ein kleiner, schwarzer Ofen, in dem seicht knisternd das Feuer seinen Raum füllt. An einer Wand - klein und relativ schmal hängen Bilder, Postkarten aus früherer Zeit mit Kindern und Jugendlichen, die glücklich aussehen. Grinsend sitzen sie im Gras, um ihre Hälse das gelbe oder blaugelbe gewickelte Halstuch, voll mit Anhängern, Stickern, Stecknadeln, Kordeln oder einfach dem getrocknetem Matsch aus vergangenen Rangeleien an verregneten Tagen. Sie sind alle so glücklich. Glücklich mit dem, was sie haben. Sich selbst. Neben den Postkarten verteilt einige Briefe, manchmal auch lustige Texte. Dinge, die man einfach nicht vergessen will. Auf dem Boden Schafswollteppiche, warme Decken. Fünfzehn bis zwanzig kindlich bis jung erwachsene Köpfe, die sich gemeinsam im Kreis auf den Boden kauern. Der Blechkessel mit dem Tee, dessen Duft ich bis heute nur damit identifizieren kann, vor zwei in Wollsocken gekuschelte Füße gestellt. Becher und Plastikschälchen wandern mit dem Uhrzeigersinn, eine Schale mit Keksen findet ihren Weg in die Runde, wird mit gierigen, aber gerechtigkeitsbewussten Fingern herumgereicht. Halb abgebrannte Kerzen in halbwegs gleichmäßigen Abständen. Dünne Holzbretter, mit dem hellen, cremeweißfarbenen Wachs, bereits beträufelt und wieder festgeworden und erneut mit Kerzen versehen, die einigermaßen gerade darauf zum stehen kommen. Streichhölzer entzünden sich, treffen den Docht, überall sanfte Schatten, die Fenster werden verschlossen und von außen mit Brettern abgedunkelt. Die Scharniere sind veraltet und gehen nur schwer zu. Die Tür wird geschlossen und alles taucht in dieses dunkle, warme Kerzenlicht, dass ich so zu lieben gelernt habe. Die Tassen und Plastikschälchen werden gefüllt zurückgereicht, jeder wartet geduldig, bis alle versorgt sind. Der Duft steigt von überall auf und dringt in die Köpfe, schenkt Sicherheit, Liebe, Freude und Entspannung im Miteinander. Trotz vieler Jahre, die mich von dieser Erinnerung trennen, schwebt alles so nah und deutlich vor mir, es könnte gestern gewesen sein. Der Tee in meinen Händen wird leichter und die Wärme schwindet, doch der Geruch bleibt. Im Kreis dreißig bis vierzig Füße in Kuschelsocken verpackt und überall dieser Geruch, überall diese Geborgenheit des Miteinanders. Die meisten Augen sind geschlossen. Und wenn du genau hinhorchst, ganz genau, zwischen das Knistern des Feuers, das kindliche Kichern, erwachsene Worte, das Klirren der Schöpfkelle gegen den Kessel, zwischen die Klänge der mehreren Klampfen, das Schwirren der Saiten, das sich langsam einstimmende gemeinsame Brummen, dass an einigen Stellen zwar etwas zu hoch oder zu tief ist, aber trotzdem genau darin Perfektion erschafft - wenn du zwischen all dem genau hinhorchst, dann hörst du auch das, was eigentlich nicht hörbar ist. Denn all das, all diese Eindrücke erschafft diese eine Art von Schwerelosigkeit, nämlich jene, die sich Freiheit nennt. Und Freiheit hat Geräusche, Gerüche, Klänge, Texturen und ein eigenes Sein. Nie wieder gelang es mir, Freiheit so deutlich zu spüren, zu schmecken oder zu fühlen. Freiheit ist nicht einheitlich. Auch dort nicht. Sie fühlt sich jedes mal anders an, aber immer und immer auf seine eigene Art und Weise doch universell. Individuell universell. Paradox denkst du jetzt? Das ist jene Kunst der Freiheit, denn besagt Freiheit eben nicht die Ungebundenheit? Kein Geruch, Geschmack oder Gefühl verspricht Ungebundenheit und doch ist sie genau darin zu finden wenn man zwischen den Zeilen riecht, schmeckt und fühlt. Der Tee in meinen Händen ist leer, die Wärme verflogen. Wenn ich die Augen zumache, spüre ich trotz allem die Atmosphäre in meinem Inneren. Zwischenzeiliges verinnerlicht. Wandelt durch unsere Körper. Das Knistern des Feuers im Herzen, die Klänge der Gitarren im Gehörgang, die Wärme in unseren Fingerspitzen, das Gefühl der Schafswolle und der Wollsocken quer durch unsere Beine und die Worte, das Kichern, unsere Anwesendheit in unseren Köpfen, und der Geruch vereint alles in sich selbst und trägt die Erinnerung mit uns mit, dorthin, wo es uns hinzieht und haftet an uns solange wir es zulassen, dass sich Ungebundenheit binden kann, sich Freiheit fesseln kann, sich Erinnerungen vergegenwärtigen können.
Ich sehe diese Hütte. Ihr Dach ist alt und morsch und das absterbende Laub bedeckt ihre Verletzlichkeit. Draußen ist es kalt und und die Sonne geht unter. Vor der zugezogenen Holztür stauen sich Wanderstiefel, variieren von Schuhgröße 32 bis 43. Wir sind alle individuell. Individuell universell. Wir riechen, schmecken, spüren. Sind schwerelos, ungebunden gebunden, frei gefesselt, vergegenwärtigte Erinnerungen einer Zeit, die vielleicht schon vergangen ist. Denn vielleicht sitzt grade irgendwo irgendwer mit einem Tee in der Hand, der wärmt und so riecht wie die Freiheit eben riecht. Individuell universell.

Montag, 10. Oktober 2016

Wörter

Und wir liegen, und der Herbst macht das Wetter kalt und nass und es ist grau aber wir, wir haben Tee und ein warmes Bett und tolle Musik und sind nicht alleine denn da ist so viel. Bücher mit Welten, in denen wir wandeln. Lachen zusammen, auch, wenn wir uns nicht sehen und der Handybildschirm zwischen uns steht aber da ist dein Grinsen, hauptsache das kann ich sehen. Nachts einschlafen fällt manchmal schwer weil der nackte Körper neben mir fehlt aber ich weiß ja dass du da bist. Es ist Herbst und meine Haare sind lila. Ich hätte Lust darauf, Kürbisse auszuhöhlen und wieder Auto zu fahren, aber ohne Fahrlehrer, will die Welt sehen, in Betten liegen und mich in Decken einkuscheln um mit warmen Tee in den Händen den trommelden Regen zu beobachten. Ich will alte Bilder ansehen und mir wünschen, diese Momente nochmal erleben zu dürfen. Ich würde dich gerne noch mal kennenlernen und nochmal ein erstes Mal im Zug auf dem Weg zu dir sitzen einfach nur um nochmal mit zitternden Beinen aus der Tür zu steigen, mit zitternden Beinen auf dich zuzugehen und die Hände vors Gesicht zu schlagen weil es mir peinlich ist wie rot ich werde und weil ich gar nicht fassen kann, wie schön du bist und was für Glück ich habe. Ich will dir für immer in die Augen sehen können. Ich will swing life away singen und lachen bis ich umfalle und alles um mich herum vergessen können. Zuhause die beiden kleinen, scheuen Katze beobachten. Das Chinchilla im Süden vermissen. Wieder betrunken sein und mich dabei glücklich fühlen. Stolz darauf sein dass die Karamellbonbons von vor über einem Monat immernoch angebrochen im Schrank liegen. Es ist Herbst und ich habe lila Haare. Der Tee schmeckt süß und wärmt mein Inneres. Meine Lippen spielen mit meinem Piercing. Und wir liegen, weil Herbst ist und es kalt ist und es nichts anderes braucht. Es ist Herbst. Und wir liegen.

Mittwoch, 28. September 2016

4 Monate

Es gab einen Tag, an dem sich alles änderte.

Dies war der Tag, an dem du mich erreichtest
mit einem simplen Zitat als wär' es das leichteste
schriebst du mich an und ich schrieb zurück
damals wusst' ich noch nicht von meinem Glück
und aus Fragen und Antworten wurden lange Gespräche
über Stunden hinweg waren's nur unsre Worte die uns wach hielten
bis wir irgendwann merkten da war mehr als nur Worte
nein, da war was anderes was ich noch nicht zu verstehen vermochte, denn
die Vergangenheit - es war ein ziemlich langer Weg
auf nem alten und verotteten und wackeligen Steg
voller Schmerz und Angst und Wut
die ich damals in mir trug
Liebe und Gefühle kannt ich nicht ich hatt' davon genug! Doch...
... dann warst da du
dieser kleine tolle Mensch mit Hemd und Mantel und nem' Handy in der Hand
der so plötzlich unverwandt neben mir am Bahnhof stand
und da schloss sich dieses Band, dieses eine dass ich meine sich niemals zerreißen lässt
denn wir halten daran fest
und so standen wir da konnten dieses Glück kaum fassen
unsre Augen nie und nimmer mehr voneinander lassen
und da? - Da begann die Zeit
voll und ganz und wirklich völlig und so richtig ohne Leid
ohne Eifersucht und Schmerz nein, sondern Glück und Liebe - ich meine
nein, ich bin mir sicher du weißt genau was ich meine
denn ich sehe dich vor mir voll und gänzlich unbeschwert
mit nem' Grinsen als seist du das größte Honigkuchenpferd
und so lernten wir uns kennen
jeden Tag ein wenig mehr
und so wurde jeder Abschied jedes mal auch ziemlich schwer, doch
uns konnte nichts trennen denn da war ja dieses Band
dass sich immerzu wie ein Schloss um diese Liebe wandt
und es hielt uns fest zusammen und das tut es heute noch
ganze vier Monate später hält es jeden Millimeter unsres Weges fest beisammen
und ja, wir zwei zusammen sind wie Jackyl und Hyde ja, wie Bonnie und Clyde
haben uns voll und ganz gebunden
nach all diesen Stunden
sogar zwanzigtausendneuzig um's mal richtig aufzurunden
ließen uns von diesen Gefühlen vollkommen überfluten
hunderfünfundsiebzigtausendzweihundert Minuten zusammen erlebt
zusammen gelacht, haben Kitzelschlachten, endlos viel Blödsinn gemacht
und heute?
Heute weiß ich eins:
Du bist meins.
und ich bin deins.
und entschuldige meine Rhymes ja, ich bin nicht perfekt
doch da ist ganz, ganz viel Liebe die hier dahinter steckt
also verzeih wenn das Gedicht nicht das Beste vom Besten ist.

Ich komm dann mal zum Ende ganz langsam und unmerklich
doch was ich dir noch sagen muss ist
Ich liebe dich!









Samstag, 18. Juni 2016

Lebenspuzzle

Schau mich an! sage ich. Komm schon, schau mich an.
Da stehst du nun. Da stehst du mit dieser unsichtbaren Wand um dich herum.
Deine Augenlider gesenkt, die Arme schlaff an den Seiten deines Körpers herabhängend.
Schau mich an. Du bist hier. Und du lebst!
Da war eine Bewegung in deinen Fingerspitzen. Ich habe es bemerkt und trete langsam einen Schritt auf dich zu doch als würde ein Schatten aus mir herausspringen und mit einem lauten Schrei auf dich zurasen, zuckst du unwillkürlich zurück und verkrampfst deine Hände zu einer Faust.
Was haben sie mit dir gemacht?
Du stehst da. Du stehst da in dieser Haltung, zerzauste, dunkelbraune Haare, ein leichtes, blassroséweißes Nachthemd verhüllt als einziges deinen zierlichen Körper, mit nackten Füßen stehst du hier vor mir, ganz wackelig versuchen sie das Beben im Boden auszugleichen.
Da ist also noch Kraft. Ein klein wenig Kraft die du von irgendwo herausziehst, sei es vielleicht der Gedanke an das, was wir gemeinsam noch erleben könnten, sei es vielleicht einfach nur der warme Wind, der gerade dein Gesicht streichelt oder vielleicht ist es auch etwas ganz anderes. Vielleicht ist es nicht von dieser Welt. Vielleicht...
Schau mich an. Hey, schau mich an! Du bist hier! Und ich bin hier. Schau mich an.
Deine Miene ist so reglos. So starr. Wo bist du grade? Ja, du bist hier bei mir, aber... ich glaube nicht, dass du das weißt, geschweige denn verstehst.
Wo bist du grade? Bist du vielleicht am Meer? So wie früher? Weißt du das noch? Wir sind am Strand entlang gerannt, mit leichtem, kleinen Fußtapsen, einem Grinsen im Gesicht. Wir waren frei. So frei wie unsere Gedanken frei waren, so frei wie die Möwen, die über unsere Köpfe hinwegschossen (und eine davon hat dir einmal dein Brot aus der Hand gepickt, weißt du noch? Und du warst so verdutzt und standest da und hast nur der Möwe nachgesehen und deine Hand hielt immernoch das mittlerweile unsichtbare Stück Brot fest) Du warst schon immer so weit weg. Schon immer so weit weg und trotzdem stehst du jetzt hier. Du stehst und... und... und ich weiß nicht.
Schau mich an. Schau mich bitte endlich an.
Und da hebtest du deine Augenlider und ich konnte dir endlich in die Augen sehen. Jedes Mal muss ich diese Farbe erneut indetifizieren. Da ist kein Grund zu erkennen, da ist nur Unendlichkeit. Unendlichkeit in dunkelgrün, und manchmal ist da ein wenig blau. Und irgendwie erinnerst du mich an die Dinge im Leben, die unerklärbar sind. Denn du bist genauso unerklärbar. Du bist die Erklärung für alles, was sich nicht erklären lässt. Und ich stehe da und sehe dich an. Und du stehst da und schaust in meine Richtung. Aber du schaust mich nicht an. Deine Augen fokussieren irgendetwas hinter mir. Ich bin nicht da. Nicht für dich.
Deine Aufmerksamkeit gilt also nicht mir und vielleicht galt sie auch nie mir. Trotzdem stehe ich hier, vor dir und schaue dich an. Und ich sage "Ich gehe nicht. Ich werde bleiben. Ich werde nicht gehen!" und "Ich werde gehen" schriebst du einmal auf einen Zettel und schobst ihn unter dem Türschlitz hindurch. Erinnerst du dich daran? Das war die Zeit, als der Boden unter dir brach. Das war die Zeit, in der du von einem Lebensabschnitt zum nächsten gesprungen bist immer mit dem Risiko dass deine Füße einmal den rettenden Halt verlieren werden und du in die Tiefe stürzen wirst. Und doch stehst du hier. Du stehst hier und du lebst. Aber du siehst mich nicht.
Ich drehe die ganze Geschichte mal um.
Schau dich an! Du bist hier! Und du lebst!
Wer bist du? Wie ist dein Name? Rufe all dies in deine Erinnerung, sag dir wer du bist! Und vor allem, sag dir, DAS du bist! Denn du bist da! Du bist hier. Direkt vor mir. Und ich will dass du das auch weißt. Schau dich an verdammt!
Ich komme nicht an dich heran. Du hast diese unsichtbare Wand um dich herum. Aber was bringt sie denn? Wovor willst du dich schützen? Vor der Angst? Die Angst ist in deinem Kopf. Wenn du dich einschließt, schließt du die Angst mit dir ein.
Komm endlich aus deinem Versteck heraus. Du brauchst dich nicht zu verstecken.
Gib dir selbst eine Chance. Gib deinen wackligen Füßen eine Chance. Die Welt ist nicht immer instabil und am beben. Die Welt zerbricht nicht jeden Tag auf's neue. Und ja, du brauchtest verdammt viel Klebeband und hast unter Schweiß alles wieder zusammengepuzzelt aber - du HAST alles wieder zusammengepuzzelt und das ist das, was wirklich zählt. Die Welt setzt sich nicht von allein wieder zusammen. Die Welt braucht Hände, die diese Tat vollbringen.Und deine Hände haben diese Tat vollbracht. Und ja, es war kraftraubend, es war zerstörend und zermahlend und hat vieles eingenommen und viele Pläne nach hinten verschoben, aber sie sind deswegen nicht weg. Sie sind noch immer da. So wie du. Du bist auch noch da. Und auch hier waren es deine blutenden und schmerzenden Hände, die dich wieder zusammengepuzzelt haben. Unter Brennen. Mit Leid und Hoffnungslosigkeit und Angst. Und du hast dich öfters verpuzzelt und Puzzleteile verwechselt und versucht sie Gewalt in die letzten Lücken zu drücken und zu pressen und hast fast aufgegeben als du einsehen musstest, dass man nichts erzwingen kann.. aber - du stehst. Und du lebst!
Verstehst du? So ist die Welt nunmal. Die Welt ist ein Puzzle. Und du bist ein Puzzle. Und bei dir ist es zerbrochen. Die Welt und du. Und da knietest du dann. Mit zahllosen Puzzleteilen auf einem Haufen, völlig miteinander vermischt, nicht zu unterscheiden in Größe und Form. Es kommt immer von innen. Innen ist das veränderliche. Außen? Außen ist alles gleich. Deshalb spürst du ja auch wenn die Erde bebt und siehst es nicht. Das ist das bedeutende. Und deshalb darfst du nicht warten bis jemand kommt und diese Puzzleteile für dich sortiert und wieder zusammensetzt. Denn, das sind deine Puzzle. Und es ist dein Leben. Dein Körper und deine Welt. Du kennst sie. Und du kennst dich. Die anderen sehen doch nur das äußerliche. Sie würden eine Ewigkeit an diesem Puzzle sitzen. Wenn sie von außen doch alle gleich erscheinen, dann sind sie nicht in der Lage, etwas zu vollenden, was nur durch dich selbst zu vollenden ist. Sie würden versagen. Weißt du. Magst du auch manchmal an Problemen versagen, manchmal versagen die Probleme auch an dir. Die äußeren Probleme. Sie kennen dich nicht. Sie kennen nur deine Hülle. Und diese Hülle, diese unsichtbare Wand hast du perfekt und ohne Lücken um dich herum aufgebaut. So perfekt und lückenlos, dass dich das ganz sanft umschließt und sich so perfekt anpasst, dass sie mit dir zu verschmelzen scheint und nicht zu sehen ist.
Aber ich weiß, dass sie da ist. Ich sehe sie, weil ich weiß, wie du bist. Und vielleicht bin ich es nicht, die deine Aufmerksamkeit erregt, aber ich habe viele Tage mit dir verbracht. Ich habe Nächte mit dir dagegessen und geredet gelacht gehasst und geliebt und jetzt wird mir klar - Ich habe geredet und gelacht und gehasst und geliebt und du, du warst einfach schon immer ganz weit weg.
Und jetzt? Jetzt bist wieder ganz weit weg. Du stehst da. Und ich stehe da. Und du stehst da mit deinen langen zerzausten braunen Wuschelhaaren und deinem Nachthemd und deinen wackeligen nackten Füßen auf dem bebenden kalten Boden und schaust so durch mich hindurch.
Die Welt ist nicht einfach. Der Mensch ist auch nicht einfach. Renn nicht davor weg. Manchmal braucht ein Puzzleteil einfach länger. Und solange du stehst und lebst und du dir sagst, dass du hier bist, dass du atmest und vor allem dass du BIST - Puzzleteile verschwinden nicht von selbst. Wenn du nicht vor lauter Wut und Enttäuschung zerbrichst oder wegschmeißt oder sie anzündest, wie auch immer - solange das nicht passiert - hast du immer die Möglichkeit, alles zu vollenden.
Du bist unerklärbar. Du bist das, was das unerklärbare erklärbar macht. Du bist das Puzzleteil, dass in jede Lücke passt und zugleich in keine. Du bist universell. Du bist da. Und du stehst. Und du lebst.

Samstag, 4. Juni 2016

Stimmen des Universums (Spontan entstandener Slamtext)

Nachts sitzt sie oft auf ihrem Balkon. Denn Nachts gehört die Welt ihr.
Sie schlingt ihre dünne Decke um sich, schleicht leise die Stufen zum Flur hinauf und zieht langsam und vorsichtig an der Glastür, um niemanden zu wecken. Die Luft heute Nacht ist kühl, aber gleichzeitig so herrlich erfrischend und trägt ihre Gedanken ganz weit hinfort. Seichter Wind umfasst ihre langen Haarsträhnen und lässt sie schwerelos in seiner Bewegung mit sich gleiten. Sie lächelt, während sie ihre wärmende Tasse mit heißer Milch und Honig mit ihren zarten Händen umfasst, auf Zehenspitzen zu ihrem Klappstuhl tapst, der wie immer schon am Rande des Balkons dasteht und lässt sich in den kühlen blauschwarzen Stoff sinken, der sofort ein wenig nachgibt. Sie lauscht dem leisen Quitschen der Scharniere und stützt vorsichtig ihre Beine auf dem Balkongeländer ab. Mit einem leisen Klack landet die Tasse behutsam auf dem nebenstehenden Tisch, damit sie sich noch enger in ihre kuschlige Decke einmummeln kann. Dann umfasst sie wieder ihre Tasse - sie ist blassgrün mit einigen verschlungenen Ornamenten - und spürt diese angenehme Wärme, die langsam von ihren Fingerspitzen durch ihre Hände, hinauf in ihre Arme, in ihren Kopf und hinunter durch ihren gesamten Körper zieht. Sie schließt die Augen und lauscht. Da ist nichts. Naja. Fast nichts. Hin und wieder flüstert sanft das leichte Wehen des Windes und manchmal, ganz ganz selten, da hört sie das Universum. Es hat unendliche viele Stimmen. Sie sind jedes mal so verschieden. Manchmal sind die laut und penetrant, und da erscheint es ihr sogar auch mal nervig und störend, einmal sogar so störend, dass sie ins Haus verschwunden ist. Und manchmal, da sind die Stimmen des Univerums wirr und unvertraut. Und manchmal, da ist das Universum still. So still, dass es weh tut. So still, dass die Stille sie anbrüllt. So still, das still kein Ausdruck mehr für diese Stille ist. Und heute? Heute lauscht sie dem Universum mit dem ganzen Körper. Ihre Augen sind noch immer geschlossen. Und sie ist ganz ruhig. Ihre Finger tippen rhythmisch an der Porzellanschale der Tasse, immer wieder, ganz von selbst. Das Universum. Es ist dunkel. Und... ja, und was? Was sind das für Geräusche? Was ist das Universum heute? Da.. da ist ein Summen. Es ist leise. Fast nicht hörbar. Es ist nicht sonderlich tief, aber auch nicht hoch. Und da ist.. da ist noch mehr. Da sind Schwingungen. Und sie sind bunt. Ganz bunt. Sie schimmern in den Farben des Regenbogens. Schwirren hin und her. Und sie sind laut. Diese Schwingungen. Aber sie haben keinen Ton. Sie haben nur Farben. Laute, ganz laute Farben. Und das Summen, es gehört zu diesen lauten Farben. Sie sind total ungleich, aber irgendwie bringt das eine das andere in Bewegung. Da ist ein Flimmern. Es ist warm. Es erinnert an Lagerfeuer und gelassene Stimmung in der Nacht, erinnert an.. an dasitzen mit Menschen, die man liebt und das Gefühl, wenn diese Liebe dieser Menschen einen selbst erreicht und den Kopf flutet und dieses unverwechselbare Gefühl in einem entfacht, dieses eine, unvergleichbare Gefühl, wisst ihr was ich meine? Sie öffnet ihre Augen. Und da sind all diese Geräusche, all diese Wahrnehmungen. Diese farbigen Schwingungen. Dieses Flimmern. Und dieses Summen. All das und.. sie schaut in die Ferne und.. der Himmel ist übersät mit blitzenden, kleinen Lichtern. Diese Mmilliarden Sterne, diese millarden eigenen kleinen Universen. Sie alle haben diese Geräusche. Sie alle klingen anders. Und sie will sie alle. Sie will diese Universen kennenlernen und hören und sehen und wissen, wie sie klingen, wie sie aussehen und was es dort gibt. Und dann träumt sie sich weg. Sie blickt in diese Ferne, diese Ferne mit den tausenden und millarden Lichtern und Universen und sehnt sich nach dieser Vollkommenheit, die der Anblick ausstrahlt. Sie will fliegen, ja, fliegen, will weit weit weg, weit hinauf und dort hin und all das erfahren und spüren und ganz und ganz selbst ein Universum sein. Denn, wer sagt, dass man kein Universum sein kann? Denn jeder hat doch irendwo seinen Eigenarten. Ganz so wie das Universum. Ganz so wie all das, was sie hört, wenn die Stimmen der Universen nach ihr Rufen. Was ist sie? Wie ist sie? Sie? Sie ist grün. Hellgrün, sie erinnert an Bäume im Frühling und saftige Wiesen und Wärme und gute Laune. Und da ist ein helles, seichtes lachen. Dieses Lachen, es ist so freundlich und erinnert an große, glückliche Augen mit riesigen glänzenden Pupillen und einem Honigkuchenpferdgrinsen, dass sämtliche schlechte Dinge einfach in sich verschluckt und nie wieder hervorkommen lässt. Sie atmet leise ein und wieder aus. Da ist noch mehr. Was ist sie? Welches Universum will sie sein? Da sind Kreise. Und diese Kreise haben einen süßlichen Geruch. Sie riechen nach Schokolade und Karamell und erinnern an diesen süßen Geruch des Sommers und des frühen Herbstes. Überall ist dieses Grün, dieser Sommer und Frühling und Herbst in einem und irgendwo auch der Winter mit seiner unvergleichbar wunderschönen glitzernden Schneelandschaft und diese ganzen Gerüche und Farben und Bewegungen und Gefühle da ist so viel... Ihre Lippen liegen sanft und ganz leicht aufeinander, alles kribbelt und plötzlich ist es, als wäre jede Zelle in ihr ganz eigen. Ein ganz eigenes Universum. Und es ist als, als würde sie zerbersten in abermilliarden einzelne Universen, so viele Universen, so viele Wahrnehmungen so viel um sie herum, überall und in ihr drin und sie hält ihre Tasse ganz, ganz fest und schmeckt den Honig auf ihrer Zunge und alles ist ganz elektrisiert vom Augenblick, dieser mächtige Augenblick der ihr gesamtes Sein aufspaltet und in seine Einzelteile zerlegt und sie sitzt so da und ist ganz ruhig und ... lässt es einfach geschehen. Denn. Da sind diese Universen. Und sie ist ein Teil davon. Sie ist ein Teil der Universen. Und da sind schon so verdammt viele Universen, so viele Wahrnehungen, so viele Dinge, die sich einfach nicht beschreiben lassen weil ihre Beschreibungen so unbeschreibbar sind wie diese Stille des einen Universums, das so still ist, das das Wort Still diese Stille nicht mehr beschreibt. Sie lässt sich gleiten. Da ist kein Körper mehr. Und da ist kein Sein mehr. Da sind nur noch Wahrnehmungen. So vieles. So viele Dinge. Und sie mittendrin. Da sind so viele Universen. Und sie mittendrin. Und da ist diese Liebe. Diese Liebe für all diese Wahrnehmungen, deren Beschreibungen einfach kein Weg sind, um ihr Gefühl wirklich wahrnehmbar zu machen. Diese Liebe die sie hinfortzieht, hinaus, immerzu Richtung Unendlichkeit, immerzu hin zu diesen tausenden und milliarden Lichtern in der Ferne die sie im Bann halten, und sie sitzt einfach da. Und ich sehe an und sie sitzt einfach da. Da ist ein Lächeln auf ihren Lippen. Und ein Glitzern in ihren Augen. Da ist etwas, wofür ich keine Beschreibungen finde. Und ich sehe sie so an und denke nach und die Zeit und Stunden vergehen bis dieses Lächeln auf ihren Lippen verschwimmt und dieses Glitzern an Glanz verliert und ich drehe mich langsam und sehe, dass die Sonne aufgeht. Ich höre das leise Tapsen ihrer Zehenspitzen und das seichte druckartige Geräusch, wenn die Glastüre leise geschlossen wird. Der schwarzblaue Klappstuhl ist leer und dieses Gefühl nicht mehr da. All diese Wahrnehmungen, die Stimmen des Universums... verschlungen in der Schwärze des aufgehenden Tageslichts. Und ich? Ich habe sie gespürt. All diese Universen. All das, und... während ich den letzten Wahrnehmungen lausche, und dieses Kribbeln aus meinem Körper zieht, holt mich der Schlaf langsam aber sicher zurück ins Leben.

Dienstag, 17. Mai 2016

Schreiben á la Kafka


Hausaufgabe für Deutsch LK - kreatives schreiben/Bildbeschreibung
- war ganz zufrieden mit dem Ergebnis und dachte mir, ich teile es mit euch <3

Als er den schwach beleuchteten Raum betrat, schlug ihm eine unangenehme Atmosphäre entgegen. Automatisch blieb er stehen und stützte sich mit seinem Gehstock langsam auf dem knarrenden Holzboden ab. Die Luft war abgestanden und unangenehm schwül. Sein Blick wanderte vorsichtig durch den schmalen Gang, hinauf zur Decke. Das erste, was ihm auffiel, waren die etlichen Kleidungsstücke, die von dort hinabhingen. Durch die gesamte Passage zogen sich die Leinenfäden, die Hemden unsorgfältig darübergeworfen. Es schien, als wollten die herabhängenden Ärmel nach ihm greifen. Schnell wanderte sein Blick weiter. Erst jetzt bemerkte er, dass nirgends ein Fenster aufzufinden war. Die Wände wirkten kahl und schäbig, überall schien ihm Staub und Schmutz, welcher ihm das Atmen erschwerte. Links von ihm befand sich eine Tür aus Holz mit einem kleinen Fenster, aus dem seichtes Licht drang. Auf der rechten Seite entdeckte er haufenweise Aktenschränke. Der Anblick beunruhigte ihn. Langsam machte er wenige Schritte nach vorne. Im Schatten vor den Aktenschränken regte sich etwas bei seiner Bewegung. Leises Murmeln zog sich durch den Gang, gefolgt von einem kurzem, sehr trockenem Husten, bei dessen Laut er unwillkürlich zusammenzuckte. Auf mehreren Bänken entdeckte er eine Hand voll Männer. Trotz ihrer Anzüge und dem Hut, den einer von ihnen auf dem Kopf trug, wirkten sie irgendwie zusammengesunken. Ihre Haltungen waren gekrümmt, der Blick zum Boden gerichtet. Der Mann mit dem Hut schlief, die Arme abwehrend vor der Brust verschränkt. Wahrscheinlich ist er erschöpft. Es war, als warteten diese Menschen hier schon ewig. Zwei Männer, die auf einer Bank knapp hinter ihm saßen, schienen ihn zu beobachten. Ihre Augen folgten jeder seiner Kopfbewegung. Auch ihre Arme waren vor der Brust verschränkt, ihre Blicke schienen aufmerksam, wenn auch auf eine gewisse Art und Weise abwertend. Sein Blick wanderte weiter und blieb an einem kleinen, herzförmigen Detail der Sitzbänke hängen. Es kam ihm unpassend einladend vor. Ein unangenehmer Geruch schlug ihm entgegen. Angstschweiß? Er konnte ihn nicht einordnen. Wenige Meter vor ihm segelte im fahlen Licht ein Zeitungspapier auf den Boden. Ein Mann, der ihm bis dahin nicht aufgefallen war, kam aus einem angrenzenden Gang hervor und stütze sich gebeugt am Bücherregal direkt daneben ab. Auch er trug einen Anzug und einen Hut, aber auch er wirkte müde und irgendwie bedrückt, als würde er eine Last mit sich tragen. Bei genauerem Hinschauen fiel ihm die Unordnung in den Regalen auf. Überall reihten sich Pakete, Bücher und Zeitschriften, lieblos aufeinandergestapelt. Es war ihm, als suche der Mann nach etwas. Der Boden vor ihm - übersät mit kleineren Zetteln, Zeitungspapier, Pergamentrollen. Geruch, der an alte Bibliotheken erinnerte. Augen, die ihn beobachteten. Trockenes Husten im Hintergrund. Feuchte Hemdärmel, die von der Decke hingen. Und überall dieser Schmutz und dieser Staub, der ihm die Luft zum Atmen nahm.

Über's älter werden und jung bleiben - Text für Josi ♥

Vergiss nie das Kind in dir.
Schau dich im Spiegel an und denke nicht - Ich bin jetzt sechzehn. Ich muss jetzt erwachsen sein.
Schau dich im Spiegel an und denke - Vielleicht muss ich jetzt irgendwo Verantwortung übernehmen, aber das wird mich niemals daran hindern, Kind zu bleiben!
Und wenn du in den Spiegel schaust, will ich, dass du lächelst, weil du eine wunderschöne, junge Dame vor dir stehen hast, die viel im Leben geschafft hat und noch vieles im Leben meistern wird.
Und wenn du deine Steuererklärungen zu spät abschickst, rechtfertige dich nicht dafür. Sag einfach, dein Hund hat sie gefressen. Wenn Hunde das mit Hausaufgaben können, dann können sie das auch mit deinen Steuererklärungen.
Vergiss nie das Kind in dir.
Wenn du irgendwann mal durch die Straßen läufst, denke nicht an all das, was du noch nicht erledigt hast. Denke nicht an den vielen Stress, den man als Erwachsener haben muss. Nein.
Laufe durch die Straßen und genieße. Laufe durch die Straßen und lächle und - von mir aus darfst du auch einen Abstecher auf den nächsten Spielplatz machen und schaukeln und die kleine Rutsche in McDonalds runterrutschen, die du mit 6 Jahren so liebstest. Du darfst in Pfützen springen, wenn es regnet und du darfst auch immernoch an der Rewe Kasse nach den kleinen, roten Lollis fragen, die nach Kirsche schmeckten, die, mit den grünen Stielen.
Vergiss nie das Kind in dir.
Vergiss nie, dass auch Erwachsene weinen und Schwäche zeigen dürfen, wenn es mal zu viel ist. Natürlich darfst du dir noch immer wünschen, dass man dir aus Kinderbüchern vorliest, natürlich darfst du noch immer Kuscheltiere im Bett wohnen lassen und du darfst auch noch Angst haben, wenn ein Fuß aus dem Bett hängt, weil du glaubst, dass sich ein Monster darunter versteckt.
Ganz egal, wie alt wir waren und sind und werden - das Kind, das steckt immer in uns. Lass den Teil Kind sein, der Kind sein möchte und gib dem ernsten Erwachsenenleben in der großen, weiten, und manchmal auch bösen Welt die Chance, die schönen und angenehmen und lustigen Momente noch immer durch die Augen eines Kindes zu betrachten. Denn ganz egal, wie alt wir sind - glücklich wollen wir alle irgendwo sein. Also lass es zu. Lächle und lass es zu. Du wirst sehen.
Zugleich vergiss nie, dass du jetzt groß bist. Dass sich neue, unbekannte Türen öffnen, die so viel tolle Dinge für dich bereit halten. Geh Bier kaufen, halte den Kassierern deinen Ausweis vor die Nase und genieße den Moment, wenn sie daraufschauen und du genau weißt - Ich darf.
Fühle dich großartig, fühle dich gut. Schau dich an und sieh, wie groß und schön du geworden bist. Was aus dem kleinen Mädchen wurde, die die Welt damals noch verschlossen vor sich liegen hatte. Denke zurück und verbanne alles Schlechte aus deinem Kopf. Stell dich vor den Spiegel, sieh dich an und lache, lache laut und so herzlich wie du nur kannst - denn du BIST schön. Und du bist TOLL! Und in 70 Jahren, da will ich, dass du vor dem Spiegel stehst und genau dasselbe tust. Was sagt denn das Alter schon großartig aus? Ja, wir erfahren, wir erleben, wir leiden und lachen und lieben und hassen und irgendwie prägt es uns. Aber das Alter wird trotzdem nie mehr sein als eine Zahl. Eine Zahl, die sich jahrjährlich ändert und nichts anderes tun wird. Alles, was jedes Jahr mit dir passiert, dass ist nicht das Alter. Das bist DU! DU, DU, DU! Du bist es, die jetzt Bier kaufen darf, nicht das Alter, DU - Das erwachsene du und das kindliche du! Das Alter ist nur eine Zahl. Eine verdammte, kleine Zahl. Vergiss das nie. Niemals. Versprich mir das. Schau mich an. Versprichst du es? Du versprichst es. Da bin ich mir sicher. Lass dir dein Leben nicht von Zahlen bestimmen. Bestimme dein Leben selbst. Sei heute erwachsen und morgen Kind, und übermorgen kannst du beides sein, vielleicht auch keins von beidem. Sei einfach du selbst. Sei du selbst, so wie du willst, wann du willst und wo du willst. Kaufe dir ein Bier und liege Nachts wach draußen und beobachte den Himmel und denke über alles nach. Stehe am nächsten Morgen auf - mit dem Teddybär im Arm und dem kindlichen Leuchten in den Augen, wenn es heißt, die große, weite Welt zu erforschen. Du bist du. Du bist keine Zahl. Vergiss nie, dass du Kind und Erwachsener zugleich sein kannst. Versprich es dir selbst. Und lächle, wenn du diesen letzten Satz zu Ende liest. Ich verspreche dir, ich werde es mir auch vesprechen.

Samstag, 30. April 2016

Flucht

Du bist ein Feigling. Denn du rennst. Du rennst um dein Leben, ständig auf der Flucht. Du flüchtest vor allem. Aber weißt du was? Diese Flucht wird dir nicht helfen. Vielleicht kannst du rennen, und du kannst dich verschließen vor allem, was dir Angst macht und dich nervt und du nicht sehen willst, aber vor der Zeit kannst du nicht flüchten. Denn die Zeit, sie ist da, und sie ist immer da, wo du bist und da kannst du noch so viel jammern und treten und laufen und dich darüber beklagen, dass du keine Zeit hast - die Zeit, sie interessiert deine Probleme nicht.
Du bist ein Feigling. Denn du stehst. Du stehst und weigerst dich, weiterzugehen. Und wenn du da so stehst und beobachtest, dann sieht man die Feigheit in deinen Augen. Sie sieht sich um, immerzu, hektisch fliegen deine Pupillen hin und her und dann öffnet sie ihre Türen für die Angst. Angst vor was? Wovor hast du Angst? Vor Konflikten, Stress, riesigen Spinnen, die dich weit in die Nacht verfolgen, dem Moment, wenn dein Feund im Flur auf dich wartet und tonlos ein "Wir müssen reden" folgt, mit leerem Blick und ohne einen Kuss auf die Stirn, wie es sonst doch immer gewesen ist. Ist es diese Angst? Oder doch die Angst vor deinem Kopf, vor den Gedanken, die dich manchmal hinausjagen wollen in die Kälte, hinaus in die graue Welt, die so unerträglich für dich ist, vor den inneren Konflikten, denen du am liebsten zubrüllen würdest, sie sollen doch endlich mal ihre scheiß Klappe halten oder doch dem Moment, in dem deine Gedanken für immer erlöschen werden? Die Angst ist in Bewegung, doch du bist ein Feigling, denn du stehst.
Du bist ein Feigling. Denn du schweigst. Du schweigst, wenn die Eltern sich wieder anschreien, schweigst, wenn du in der U-Bahn sitzt und drei Plätze weiter der Mann mit der Lederjacke und den toten Augen wieder beginnt, sich schamlos an undschuldige Studentinnen ranzumachen und du schweigst, wenn du an der Grundschule vorbeiläufst und die drei Jungen dem Mädchen mit der Zahnspange Kaugummis in ihre langen, blonden Haare schmieren. Und wenn alles still ist, und du alleine auf dem Dach deiner Garage sitzt mit einem Bier und in der klaren Nacht den Sternenhimmel beobachtest, schweigst du auch.
Du bist ein Feigling, weil du jetzt lächelst. Du lächelst, weil du all das, was ich gerade gesagt habe, nicht wahrhaben willst. Du lächelst, weil du dir denkst "Wenn ich nicht renne, dann gehe ich, denn dann habe ich Zeit, und wenn ich stehe, genieße ich den Augenblick und wenn ich schweige, dann möchte ich nicht reden, weil die Stille angenehm ist." Und dann muss ich lachen. Laut und haltlos, weil es mir unerklärlich ist, was für ein Feigling du bist.
Du rennst und stehst und schweigst. Du rennst weg vor der Zeit, die sich an deine krafttlosen Beine klammert, du stehst, weil deine Kraft sich dem Ende neigt und du schweigst, weil du zu atemlos bist, um etwas zu sagen. Du rennst, wenn du glaubst, dass dir die Zeit voraus ist, du stehst, wenn du glaubst, dass du zu schnell bist und du schweigst, weil du nicht weißt, wie du anders mit dem Warten umgehen sollst. Doch die Zeit ist dir nie voraus oder spät dran, sie ist immer da, wo du bist, sie ist da, wenn du in der Mathestunde sitzt und verzweifelt auf das Klingeln der Pausenglocke wartest, sie ist da, wenn du mit deinem Freund Zuhause im Bett liegst und ihr euch anseht und küsst und euch wünscht, dieser Moment hielte für immer, und sie ist da, wenn du Nachts mit tränenverschmierten Wangen in deinem Bett sitzt und in die Schwärze starrst und dich fragst, wo zur Hölle die Zeit hin ist.
Du bist so feige. Ich sehe dich an und du stehst da, schweigend und in einer Haltung, die zeigt, wie gerne du jetzt nur rennen würdest. Du siehst mich an und sofort wieder weg, weil ich nicht mehr lächel. Ich betrachte dich und merke, wie die Zeit und die Angst und die Schuld an allem geradezu an dir kleben und irgendwie tust du mir leid. Du tust mir leid, weil du verlernt hast, wie man geht, weil du verlernt hast, nicht stehen zu bleiben und weil du vergessen hast, wie Sprechen funktioniert.
Und dein Freund dreht sich um und verlässt dich, weil er nicht verlernt hat, weiterzugehen, und die Frau neben dir in der U-Bahn zerrt den Mann in der Lederjacke mit den toten Augen zurück, verpasst ihm eine Backpfeife und schreit ihn an, er solle endlich verschwinden, weil sie nicht vergessen hat, wie Sprechen funktioniert. Und plötzlich bist du weg. Ich stehe alleine auf der Straße und drehe mich um. Unscharf erkenne ich deine Umrisse in einiger Entfernung. Der Wind pfeift und leise höre ich, wie dein Leben flüstert "lauf."

Mittwoch, 20. April 2016

Traumleben


Träumen wir oder leben wir?

Vielleicht leben wir in einem Traum -

Oder träumen wir das Leben?

Oder leben wir unseren Traum?

Vielleicht träumen wir auch für unser Leben -

Während wir im Leben für unseren Traum träumen -

und zugleich im Traum für unser Leben leben -

Leben

Träumen

Vielleicht träumen nicht mal wir -

Vielleicht träumt jemand für uns während wir leben -

Vielleicht lebt jemand für uns während wir träumen -

Wer sagt denn, was Traum und was Leben ist?

Vielleicht ist in Wirklichkeit Leben Traum und Traum Leben -

Was, wenn wir erst dann wirklich erwachen, wenn wir uns schlafen legen?

Wer hat denn festgelegt, was was ist?

Und wer hat festgelegt, dass es nur Traum und Leben gibt?

Kann es nicht auch Träume geben, die lebende träumen während sie ihren Traum im traumhaften Leben leben?

Traumhaftes Leben

Wer sagt, dass es nicht einfach dasselbe ist?

Traumleben - Lebenstraum - Lebenstraum im Traumleben

Vielleicht wacht man ja auf, wenn man zu Bett geht -

Und vielleicht schläft man ein, wenn man aufwacht -

Legt man beide Fakten aufeinander, lebt man weder, noch träumt man

Also frage ich euch -

Was ist schon Traum und Leben?

Ein verzwicktes Labyrinth des lebenden Traums, der im Leben lebende von Träumen träumen lässt, Träume zum Leben erweckt und Leben zum Traum macht?

Im Endeffekt lässt sich nur sagen, dass ich keine Ahnung habe.

Freitag, 8. Januar 2016

Chaosgefühle

Wo ist eigentlich Glücklich? fragt Fürsorge. Ich habe sie ewig nicht mehr gesehen.
Ich weiß es nicht, Fürsorge, sie hat sich länger nicht mehr blicken lassen. Aber das kann ich verstehen. Hier ist im Moment alles so trostlos und grau, ich würde mich auch gerne in Luft auflösen, flüstert Trauer. Ist ja auch kein Wunder, wenn du alle hier mit deiner Laune ansteckst! mischt sich Schuld ein. Mir ist mittlerweile eh alles egal, weil sich doch nie etwas ändert. Es ist doch jedes mal so! wirft Enttäuschung ein. Ihr macht es alle nicht besser! ruft Verzweiflung dazwischen. Da muss ich zustimmen! Eure endlosen Diskussionen bringen hier niemanden weiter, und Glücklich taucht dadurch auch nicht wieder auf! Packt euch erstmal selbst an die Nase, bevor ihr euch gegenseitig die Schuld zuschiebt! Vorwurf starrte in die Runde. Alles war still, als urplötzlich ein lauter Knall ertönte und Ärger angestampft kam. Ärger war ganz rot und sah aus, als wollte es alles auseinandernehmen. Angst, die sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, wich noch ein Stück zurück und begann, leise zu wimmern. Was ist hier schon wieder los?! schrie Ärger in die Gefühlsmasse hinein und Angst's wimmern wandelte sich zu einem schluchzen. Vorwurf starrte Ärger an und nickte in Angst's Richtung. War das jetzt wirklich notwendig? Als wenn hier nicht schon genug Chaos herrschen würde! In diesem Augenblick kam Entsetzen herangeeilt, direkt neben ihm Neugierde, die beide mit großen Augen auf das Getummel vor ihnen starrten. Was zum?! stotterte Entsetzten immer wieder vor sich hin, bis Neugierde ihn mit einem Ey, sei mal still, ich will wissen wie's weitergeht! ins Wort fiel. Entsetzen drehte sich zu Neugierde um und war noch entsetzter als zuvor. Fürsorge kniete währendessen neben Angst und versuchte, sie irgendwie zu beruhigen, doch das war nicht so einfach. Angst weinte und weinte und wollte sich gar nicht helfen lassen, was Verzweiflung bemerke und es im Endeffekt nur noch schlimmer machte. Neugierde hatte sich mittlerweile einen Stuhl geschnappt und schaufelte Popcorn in sich hinein, als sich Vorsicht, die sich zuvor im Schatten von Einsamkeit versteckt hatte, geduckt einen Weg durch das Getümmel bahnte, um nach Hoffnung zu suchen. Es wurde immer lauter. Gegenstände flogen durch die Luft, zwischendrin waren immer wieder Schreie der Verzweiflung zu hören. Trotz, der sich nach einiger Zeit ebenfalls eingemischt hatte, gab die Diskussion auf und verschwand schmollend. Sehnsucht beschloss, sich Vorsicht anzuschließen und begab sich ebensfalls auf die Suche nach Hoffnung. Sie ließen das riesige Gefühlschlamassel hinter sich, entfernten sich immer mehr davon, bis es schließlich ganz leise wurde. Nach einigen 100 Metern trafen sie auf Ruhe. Ihr seht so müde aus, sprach Ruhe die beiden Gefühle an. Wollt ihr euch ein wenig ausruhen? Bei mir herrscht Stille, bei mir könnt ihr ein wenig ausspannen. Vorsicht und Sehnsucht dankten, lehnten jedoch ab. Das ist lieb von dir, Ruhe, aber wir haben keine Zeit. Eile scheucht uns seit Stunden durch die Gegend und lässt uns Hoffnung suchen, doch wir finden sie nicht. Hast du sie gesehen?
Ruhe überlegte einige Minuten, um schließlich zu nicken. Hinter Vorsicht und Sehnsucht sprang Eile mit fuchtelnden Armen hervor. Ging das nicht ein wenig schneller? Wir haben nicht viel Zeit! Ruhe wies den drei Gefühlen die Richtung, worauf Eile die anderen zwei hinfort scheuchte und Ruhe erneut alleine zurückblieb. Und tatsächlich – nach einiger Zeit trafen Sehnsucht und Vorsicht auf Hoffnung, die ein weiteres Gefühl zusammengesunken in ihrem Schoß hielt. Fürsorge war auch dort und streichelte dem gekrümmten Etwas sanft über's Haar. Es war Liebe. Du musst sofort mit uns kommen, Hoffnung! ratterte Eile herunter und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Die anderen Gefühle, alle, sie alle, totales Chaos, so ein Schlamassel, alle, alle.. Ruhe war ihnen gefolgt und nahm nun Eile in den Arm, die sich langsam, aber zitternd etwas beruhigte. Hoffnung sah auf und lächelte stumm. Ich weiß, ich weiß, sprach sie, während sie Liebe weiterhin sanft in ihren Armen hielt. Liebe hat mir davon erzählt. Auch, wie lange sie schon streiten. Sie weiß gar nicht damit umzugehen. Alle Gefühle haben sich in letzter Zeit so sehr an sie geklammert, dass sie nicht mal mehr wusste, welches Gefühl sie selbst eigentlich ist. Sehnsucht und Vorsicht sahen sich an, dann Liebe, dann Hoffnung. Eile und Ruhe standen immer noch da, Arm im Arm. Weißt du vielleicht auch, wo Glücklich ist? Wir suchen sie schon seit einigen Tagen, aber sie ist wie vom Erdbeben verschluckt. Genau dann - urplötzlich - stand Glücklich vor ihnen. Lächelnd, wenn auch ein wenig gezwungen. Macht euch keine Sorgen, ich bin ok. Ich brauche nur ein wenig Zeit für mich, ich kann nicht immer jeden glücklich machen. Für den Augenblick zumindest nicht. Hoffnung blickte auf und atmete einmal laut ein und wieder aus. Ich werde Verstand beten, diesen Schlamassel für euch zu klären. Es scheint im Moment wohl für euch alle einfach zu viel zu sein. Aber – und das kann ich euch versprechen – Hoffnung lächelte und nahm alle in den Arm – es wird alles wieder besser. Ihr müsst nur versuchen, daran zu glauben.